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0145 - Die fliegenden Särge

0145 - Die fliegenden Särge

Titel: 0145 - Die fliegenden Särge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Der Mann hatte dicke, nikotingelbe Finger. Verlegen drehte er seine Schirmmütze zwischen den Händen, sein Blick war gesenkt, auf dem Stuhl rutschte er herum.
    Kurz gesagt, er fühlte sich ziemlich unwohl in seiner Rolle.
    Zumindest war sie ungewohnt, denn bisher hatte er in seinem 40jährigen Leben noch nichts mit der Polizei zu tun gehabt, wie er glaubhaft versicherte.
    Nun saß er vor mir.
    Er hieß Eric Ladween, und die Kollegen der uniformierten Polizei hatten ihn zu mir geschickt.
    Ich war gespannt, was er mir zu berichten hatte. Ich bot ihm eine Zigarette an, die er dankend nahm. Dann gab ich ihm Feuer. Wieder nickte er.
    Nach diesen beiden »Taten« setzte ich mein bestes Lächeln auf. »Nun legen Sie mal Ihre Nervosität ab, Mr. Ladween. Hier frisst sie niemand, und hier wird Sie auch niemand verhaften. Denken Sie einfach, Sie säßen mit einem Freund in der Kneipe.«
    »Aber… aber ich bin bei Scotland Yard.«
    »Natürlich.«
    »Und… ahm, ich bin nur ein kleiner Hafenarbeiter, Sir. Vorm Yard hat man immerhin Respekt. Ich habe ja viel gehört…«
    »Alles halb so schlimm«, winkte ich ab.
    »Na ja.« Er hob die Schultern. Dieser Mann fühlte sich zwischen Kränen und Ladungen wohler als auf dem harten Schreibtischstuhl in meinem Büro. Das konnte ich ihm auch nicht verdenken. Er trug eine graue Jacke, die sich in den Schultern spannte, und eine schwarze Hose, an deren Bügelfalten er des öfteren zupfte. Sein Gesicht wirkte eingefallen, es hatte eine ungesunde Farbe angenommen, seit er dieses Büro betreten hatte. Das schwarze Haar mit den zahlreichen grauen Fäden war glatt nach hinten gekämmt. Eine Tasse Kaffee hatte er abgelehnt, einen Whisky nahm er jedoch.
    »Dürfen Sie das denn?« fragte er, als ich ihm einen Schluck anbot.
    Ich grinste. »Bei besonderen Gästen immer.«
    »Na ja, dann will ich mal nicht so sein.«
    »Sehen Sie.« Ich schenkte ihm einen Doppelten ein. Ich nahm auch einen kleinen Schluck.
    »Nun erzählen Sie mal«, forderte ich ihn auf.
    »Wie gesagt, Sir, ich arbeite im Hafen. Und zwar dort, wo was los ist, wo die Schiffe entladen werden. Wir müssen wirklich hart ran, da kann man keine großen Pausen einlegen.«
    Er berichtete von seiner Arbeit. Ich ließ ihn, so redete er sich erst einmal in Fahrt.
    Das nahm ihm die Hemmungen. Schließlich kam er zum Kern der Sache.
    »Gestern war es, da kam ein Schiff aus Sizilien. Es war ein normaler Frachter, gar nicht mal besonders groß, aber er hatte eine ausgefallene Ladung an Bord. Särge!«
    Eric Ladween schaute mich scharf an, als wartete er auf mein Erschrecken, doch ich blieb ruhig und bat ihn, weiter zu erzählen.
    »Ja, wir löschten die Fracht und stapelten die Särge auf dem Pier. Der Wagen, der sie abholen wollte, kam nicht. Es war auch schon zu spät, deshalb blieben die Särge über Nacht stehen. Ich bin noch nicht sofort nach Hause gegangen, sondern habe noch mit zwei Kollegen gefeiert. Der eine Kollege hatte Geburtstag gehabt. Wir haben uns in unsere Materialbude gesetzt und zwei Flaschen Gin geleert. Ich trank nur zwei Gläser, weil ich noch fahren musste. Als ich dann mal raus ging, da sah ich es. Wissen Sie, Sir, die Särge standen gar nicht weit weg. Normalerweise sind es ja Gegenstände, die fest auf dem Boden bleiben, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    »Sicher.«
    »Doch als ich aus der Bude kam, da schwebten sie über dem Boden. Zwei Särge flogen.« Der gute Mann riss die Augen auf und bewegte seine Arme, wobei er die Flugbewegungen nachahmte. »Sie zischten durch die Luft. Ich war wie von Sinnen, konnte erst gar nichts sagen, fing aber dann an zu schreien und rannte in die Bude zurück. Die anderen lachten mich aus, aber ich schwöre es, Sir, ich habe gesehen, wie die Särge flogen.«
    »Was geschah dann?« fragte ich.
    »Nichts. Ich bin geflohen. Habe mich in mein Auto gesetzt und bin verschwunden. So etwas kann man doch nicht mit ansehen, das ist grauenhaft.«
    »Sicher.« Ich zündete mir eine Zigarette an. »Was haben denn Ihre Kollegen gesagt?«
    »Gelacht.«
    »Die haben die fliegenden Särge also nicht gesehen?«
    »No.« Ladween schüttelte den Kopf. »Die hockten in der Bude und trauten sich nicht heraus.«
    »Ist natürlich schwer zu glauben, was Sie da erzählen«, sagte ich zu dem Stauer.
    Der nickte. »Aber ich schwöre Ihnen, dass es stimmt. Betrunken war ich nicht. Ich habe auch mit Molly, meiner Frau, darüber gesprochen. Sie riet mir, zur Polizei zu gehen. Das tat ich auch. Die Männer, ich

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