47 - Waldröschen 06 - Am Teich der Krokodile
ERSTES KAPITEL
Mißglückter Verrat
Die Provinz Cohahuila ist außerordentlich waldig, und es gibt Gegenden, in denen nur an den Flüssen für größere Scharen ein Fortkommen möglich ist.
Von der Stadt bis zum Sabinafluß ist es ungefähr einen Breitengrad. Direkt bis an die Vereinigung der beiden Wasserläufe, wo Lindsay ankern wollte, breiten sich Wälder aus, während gerade nach Osten hin Präriestreifen sich zwischen den tausendjährigen Forsten hinziehen, welche dann ihre Richtung nach Norden nehmen.
Daher war es geraten, diese Prärien zu benutzen und zwar einen scheinbaren Umweg einzuschlagen, welcher die Reiter aber nichtsdestoweniger viel schneller an das Ziel brachte, als die direkte Richtung durch die Wälder.
Fast die ganze Gesellschaft hatte frische Pferde unter sich, und da man in jenen Gegenden gewohnt ist, Galopp zu reiten, so schwanden die Entfernungen förmlich unter den Hufen der dahinlaufenden Tiere.
Man war am frühen Morgen aufgebrochen, und jetzt begann die Sonne bereits wieder zu sinken. An der Spitze ritten die beiden Apachenhäuptlinge mit ‚Büffelstirn‘, während Sternau mit Juarez und Mariano folgte. Diese drei letzteren waren in ein angelegentliches Gespräch vertieft, welches sie aber schnell einstellten, als ‚Bärenherz‘ plötzlich sein Pferd anhielt und aus dem Sattel sprang. Er betrachtete den Boden genau.
„Halt! Nicht weiter!“ rief Sternau den ihm folgenden Mexikanern zu. „Es handelt sich hier um eine Fährte, welche wir nicht zerstören dürfen.“
Er ritt langsam zu den Häuptlingen heran und stieg auch vom Pferd.
„Sieht mein weißer Bruder diese Spur?“ fragte ihn ‚Bärenherz‘.
Er zeigte auf eine außerordentlich breite Fährte.
„Ja“, antwortete Sternau. „Man kann sie ja von weitem sehen.“
„Sie ist so breit, wie sie nur die weißen Männer hinterlassen.“
‚Bärenauge‘ hatte die Breite abgemessen. Er sagte:
„Es sind über zehnmal vier Reiter gewesen.“
„Sie kamen von Süd nach Nord“, fügte ‚Büffelstirn‘ hinzu. „Sie haben unseren Weg und werden den Engländer treffen. Wer mögen sie sein?“
Jetzt betrachtete auch Sternau die Hufspuren genauer.
„Sehen meine roten Brüder“, sagte er, „daß nur eine kurze Zeit vergangen ist, seit diese Leute hier vorüberkamen?“
„Ja“, antwortete ‚Bärenauge‘. „Es ist höchstens die Hälfte der Zeit vergangen, welche die Bleichgesichter eine Stunde nennen.“
„Richtig. Wir hätten uns erst später nach Norden gewendet, aber wir dürfen diese Reiter nicht unbeachtet lassen, sondern müssen ihnen folgen.“
„Das ist nicht schwer“, meinte ‚Büffelstirn‘. „Ich sehe, daß die Tiere bereits sehr ermüdet gewesen sind. Sie haben einen weiten Weg zurückgelegt.“
Juarez machte ein besorgtes Gesicht.
„Über vierzig Reiter sind es gewesen?“ fragte er.
„Ja. Eher mehr als weniger“, antwortete Sternau.
„Das ist verdächtig! Waren es etwa Indianer?“
„Nein. Man sieht aus den Spuren, daß die Tiere keine indianische Dressur haben. Und sodann reiten die Indianer nie so weit auseinander.“
„Vielleicht sind es Vaqueros gewesen!“
„Vaqueros in einer solchen Anzahl beisammen? Das ist nicht denkbar.“
„Aber wer sonst?“
„Das müssen wir erfahren. Wir haben nur der Fährte zu folgen.“
„Gut! Vorwärts!“
Der Ritt wurde von neuem begonnen, ging aber jetzt nach Norden, statt wie früher nach Osten. Nach und nach wurden die Spuren immer frischer, das war ein sicherer Beweis, daß die Truppe schneller ritt als die Verfolgten.
Sternau beugte sich im Galopp vom Pferd herab und betrachtete die Eindrücke sehr aufmerksam.
„Sie sind jetzt höchstens zehn Minuten voraus“, sagte er zu Juarez, „und ich glaube gar, daß sie im Schritt geritten sind.“
Es verging wieder etwa eine Viertelstunde. Die Sonne hatte sich hinter dem Horizont nieder gesenkt, und in kurzer Zeit mußte die Nacht hereinbrechen. Da erhob sich ‚Bärenherz‘ im Sattel und deutete nach vorn.
„Uff!“ rief er.
Sternaus scharfes Auge entdeckte sofort, in sehr weiter Entfernung zwar, aber doch noch leidlich innerhalb des Gesichtskreises, eine Art von Linie, welche sich fortzubewegen schien.
„Das sind sie!“ sagte er.
„Wollen wir sie schnell einholen?“ fragte Juarez.
„Nein“, antwortete der Gefragte.
„Warum nicht?“
„Man weiß nicht, wer sie sind und was sie wollen.“
„Das tut nichts. Wir sind über zweihundert, sie aber höchstens
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