Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
Gedenkstätte«, sagt er und zeigt auf etwas Rundes, das aussieht wie ein gespiegelter Kaffeetisch mit einem gläsernen Kissen darauf. »Dieses Denkmal wurde genau an der Stelle errichtet, wo das Schafott für die Hinrichtungen der Adligen stand. Im Inneren des Towers selbst fanden nur zehn Männer und Frauen den Tod. Wer sie waren und warum sie sterben mussten, werde ich Ihnen erzählen, wenn wir in der königlichen Kapelle sind.«
Kat stößt mich an, als die anderen dem Wächter zum Eingang der kleinen Kirche folgen. »Mir ist langweilig. Hast du bald genug gesehen?«
Ich schaue hinüber auf die steinerne Kapelle und sehe einen nach dem anderen darin verschwinden. Ich schlucke ein Mal kräftig und nicke dann, denn eigentlich bin ich noch zu aufgewühlt, um mir schaurige Geschichten über die Enthauptungen anzuhören, die dort stattgefunden haben. Ich muss mich endlich in den Griff bekommen, sonst ist der Rest der Ferien ruiniert.
Wir stehlen uns fort, und Kat schaut auf den Lageplan, den wir zusammen mit den Eintrittskarten bekommen haben. »Auf zu den Juwelen«, sagt sie. Ich folge ihr, noch einmal vorbei an der gläsernen Gedenkstätte, die inmitten der alten Gebäude und grünen Rasenflächen viel zu modern und fehl am Platz wirkt. Das ist die Stelle, an der all die Menschen starben, und sollte es im Tower tatsächlich irgendwelche umherirrenden Geister geben, dann müssten sie eigentlich genau hier sein. Doch diesmal geschieht nichts. Keine Beklemmung oder Panik überkommt mich, keine lebensechten Bilder tauchen ungebeten in meinem Kopf auf. Zum Test lege ich meine Hand auf den Eisenring, der das Denkmal umgibt, schließe meine Augen und fühle … nichts. Erleichtert schlage ich sie wieder auf und schaue mich um.
»Die Schlange bei den Kronjuwelen sieht ziemlich lang aus«, sage ich und zeige auf die breite, sich nur langsam vorwärtsbewegende Reihe von Menschen, die vor dem Gebäude warten. Ich schaue auf meinem Handy nach der Uhrzeit: »Bald Mittag – vielleicht sollten wir warten, bis die anderen mit ihren Kindern ins Café gehen.«
Kat blickt hinüber und stimmt mir widerstrebend zu. »Dann lass uns rausfinden, welches von den anderen Gebäuden am wenigsten langweilig ist.« Sie schaut auf den Lageplan und zeigt auf das große Schloss in der Mitte. »Das hier ist der White Tower. Da sind die Waffen, Rüstungen und so weiter ausgestellt.« Sie rollt die Augen, und mir ist klar, dass wir uns dort bestimmt nicht allzu lange aufhalten würden.
Ich tippe mit dem Finger auf die Karte und zeige auf die Stelle, an der wir gerade stehen. »Lass uns doch mit dem Beauchamp Tower anfangen. Der ist gleich hier und dort sollen die Gefangenen vor ihrer Hinrichtung Botschaften an den Wänden hinterlassen haben.«
Jahrhundertealte Graffiti sind schon eher nach ihrem Geschmack. Wir steigen die Treppe hinauf und befinden uns in einem großen Raum mit geschwungenen Türbögen und winzig kleinen Fensterchen in den dicken, gemauerten Wänden. Ich stelle mich an einen Fenstersims und spähe durch die schmale Öffnung hinunter auf die Wege und Grasflächen. Mein Herz beginnt zu hämmern, wie immer, wenn ich mich höher als einen Meter über festem Boden befinde. Ich trete einen Schritt zurück und stelle mir vor, hier drin gefangen zu sein, das Leben draußen vorbeiziehen zu sehen und zu wissen, dass meine eigenen Tage auf der Erde gezählt sind. Der Raum hat eine niedrige Decke und riecht nach Moder, so als hätten die alten Mauern die Verzweiflung vieler Jahrhunderte in sich aufgesogen.
Kat schaut sich die Zeichen und Bilder an, die fast überall auf den Steinen zu sehen sind. »Womit haben die das wohl eingeritzt? Denkst du, der König war so dumm, ihnen Messer zu geben und sie einfach machen zu lassen?«
»Kann ich mir nicht vorstellen. Vielleicht steht dort drüben auf dem Schild was.« Ich gehe nah an der Wand entlang und betrachte die hinter Plexiglas geschützten Botschaften, die die Todgeweihten vor so langer Zeit hinterlassen haben. Manche sind richtig kunstvoll, mit Bildern von Löwen und kleinen Gebeten. Andere bestehen nur aus Namen und Daten. Schließlich mache ich vor einem Rechteck halt, in dem mir unbekannte Worte stehen. Ich lege meine Hand auf das Plexiglas und spüre die sanfte Energie, die der dahinterliegende Stein verströmt. Ein wenig Angst und Verlassenheit liegen darin, aber am stärksten ist das Gefühl von Frieden. Es fasziniert mich, gern würde ich den Stein anfassen und die Worte
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