Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
nicht gewinnen lassen. Deine Fähigkeit, Cello zu spielen, ist nicht hier drin«, sagt er und tippt auf meine Finger. »Sie ist in deinem Kopf. Und in deinem Herzen. Alles, was du tun musst, ist, deinem Körper eine andere Art beizubringen, wie er diese Fähigkeit nutzen kann. Der Ton entsteht dadurch, dass du mit dem Finger eine Saite drückst. Welcher Finger das ist, spielt doch gar keine Rolle.« Er reicht mir den Bogen und ein Stück Bogenharz.
Ich spanne den Bogen und reibe ihn mit dem Harz ein. Meine Hände zittern ein bisschen. Griffon hat sich so viele Gedanken gemacht wegen mir, und er sieht mich ganz erwartungsvoll an – ich will ihn nicht enttäuschen. Der Bogen liegt etwas ungewohnt in meiner linken Hand, aber sie scheint kräftig genug, um ihn zu führen.
»Erwarte bloß nicht zu viel«, sage ich, hole tief Luft und schließe die Augen. Ich lasse die Finger meiner rechten Hand vorsichtig die Töne eines Stückes ertasten, das ich selbst komponiert habe. Es ist alles andere als perfekt, aber sie bewegen sich gut. Dann höre ich auf, darüber nachzudenken, ob ich die richtigen Töne treffe, und versuche stattdessen, mich dem Gefühl tief in mir hinzugeben, das die Töne erst wirklich zum Klingen bringt. Ich lasse alles in die Musik fließen, was ich in den letzten Wochen gespürt habe – Angst, Vertrauen, aber vor allem Sehnsucht und Verlangen. Die Musik schwingt noch im Raum, als ich schließlich die Augen wieder öffne und den Bogen herunternehme. Griffon sitzt da und grinst mich total verzückt an.
»Das war wunderschön«, sagt er.
»Oh nein, war es nicht«, widerspreche ich. Vorsichtig lege ich das Cello zurück in den Koffer und spüre plötzlich einen dicken Kloß in meinem Hals. Das hier ist ein Geschenk, das aus viel mehr besteht als nur aus Holz und Saiten. »Aber für den Anfang war es nicht schlecht.« Ich beuge mich zu ihm und küsse ihn innig. »Das ist das schönste Geschenk, das ich jemals bekommen habe … Aber ich kann es nicht annehmen. Ich meine … Es muss ein Vermögen gekostet haben.«
Griffon schüttelt den Kopf. »Mach dir darüber keine Sorgen. Geld ist kein Problem. Bitte. Du musst es annehmen. Ich kann es nicht zurückgeben.«
»Aber …«
Ehe ich meinen Einwand vorbringen kann, küsst er mich. Er fährt mit den Fingern durch mein Haar und zieht mich sanft mit sich auf den Boden hinunter. »Du musst. Ich schulde es dir.«
»Du schuldest mir doch nichts.«
»Oh doch, tue ich. Seit dem Augenblick, als ich dich im Tower berührte, wusste ich, was eine meiner Aufgaben in diesem Leben ist: dafür zu sorgen, dass dir nichts geschieht. Und ich habe versagt.«
»Aber du hast mich doch gewarnt. Es ist nicht deine Schuld, dass ich dir nicht vertraut habe.« Ich schmiege mich an ihn und küsse ihn, fühle seine vollen, weichen Lippen auf meinen und atme tief seinen warmen, erdigen Duft ein.
Er vergräbt seinen Kopf an meinem Hals. »Was ich neulich abends gesagt habe, ist die Wahrheit«, flüstert er. Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut und ein wohliger Schauer läuft durch meinen Körper. »In all meinen Leben habe ich noch nie etwas so ernst gemeint. Ich liebe dich.«
Ich betrachte sein Gesicht. Diesmal sehe ich darin nicht die Augen meines Henkers. Ich sehe die Augen des Jungen, ohne den ich nicht mehr sein will. Diesmal frage ich mich nicht, was in ihm vorgeht oder ob er es ernst mit mir meint, weil ich einfach spüre, dass er die Wahrheit sagt, dass seine Worte ehrlich sind, dass sein Herz ehrlich ist.
»Zwei Wahrheiten und eine Lüge«, sage ich. »Diesmal bin ich dran.«
»Okay«, sagt er und grinst.
»Ich war noch nie so glücklich wie in diesem Augenblick. Ich esse unheimlich gern Tomaten.« Ich mache eine kleine Pause. »Ich liebe dich.«
Griffon runzelt die Stirn und sieht mich an. »Hm, ich hoffe doch, dass du Tomaten immer noch verabscheust.«
»Ah, ich sehe, du hast Fortschritte gemacht.«
Griffon lacht, zieht mich an sich und küsst mich. Ich spüre sein Verlangen, als ich mich ganz eng an ihn schmiege, und ich weiß, dass ich diesen Augenblick und dieses Gefühl niemals vergessen werde, was auch immer in diesem Leben oder im nächsten geschehen mag. Von jetzt an wird nichts mehr verloren gehen, gut oder schlecht. Alles wird bleiben. Für immer.
Zitat in Kapitel 18 aus:
EDGAR ALLAN POE : Edgar Allan Poes Werke. Gesamtausgabe der Dichtungen und Erzählungen , Band 6: Scherz- und Spottgeschichten. Herausgegeben von Theodor Etzel, Berlin:
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