Full House: Liebeserklärung an die Chaosfamilie (German Edition)
Oder genauer gesagt, erst später im Badezimmer über der Kloschüssel. Zum Glück ist noch was von der Cola da. Ich pfeife auf die Vitamine. Erst einmal brauche ich einen halbwegs klaren Kopf. Unter Gliederschmerzen quäle ich mich in meinen Jogginganzug, dann schwingen wir uns ins Auto, und ich fahre Ryan so langsam wie möglich zum Sportverein. Ausgerechnet heute spricht mich der Trainer an: »Ihr Sohn hat ziemliche Fortschritte gemacht! Sie können stolz auf ihn sein.«
»Danke«, ächze ich und versuche ein freundliches Lächeln, das mir aber vergeht, als ich höre, wie der Trainerbeim Weggehen murmelt: »Von Ihnen kann er das nicht haben.«
Karl-Heinz, der Vater von Ryans bestem Fußballfreund, klopft mir jovial auf die Motorhaube und ulkt: »Na, spät geworden gestern?«
Jetzt bloß schnell nach Hause und wieder ins Bett. So brauche ich nichts mehr zu unternehmen an diesem Samstag. Auf die Dusche verzichte ich. Auf alles andere auch. Clara sieht mich und erschrickt. »Ich dachte, du bist ein Einbrecher, Papi!«
»Tut mir leid, Schatz, mir geht’s nicht gut.« Und dann tritt das ein, was einem unwiderruflich klarmacht, dass es nichts Schöneres auf der Welt gibt, als Vater zu sein: Ich liege im Bett, da bringt Clara mir ein Glas Wasser – mit Blumen drin. »Hier, Papi, damit du schnell wieder gesund wirst.« Danach verwöhnt sie mich mit einem Käsebrot (ich hasse Käsebrot, aber wenn meine Tochter es gemacht hat, dann liebe ich es) und bringt mir ihren Lieblingsfilm: Prinzessin mit 13. Nicht wirklich der Typ Film, den ich gerne sehe. Aber als sie sich zu mir setzt und wir gemeinsam gucken, muss ich sogar lachen, wenn Clara lacht. Und ein bisschen von ihrem Glück färbt auf mich ab und macht, dass das Kranksein gar nicht mehr so schlimm ist. Im Gegenteil: Plötzlich wird man verwöhnt! Und ich spüre, wie lieb mich meine Tochter hat. Und auch mein Sohn, der sich später zu mir setzt und mir genau erzählt, was alles beim Training passiert ist, und der mir seinen Gameboy bringt, damit ich ein bisschen damit spielen kann. Wie groß sie plötzlich sind! Ryan geht ans Telefon, als Beate anruft. Er spricht mit ihr, als sei er der Vater und ich sein Sohn. »Keine Sorge, Mama, das kriegen wir schon hin. Und wenn du wieder da bist, ist Papi bestimmt wieder fit.«
Drei Tage liegen vor mir, an denen ich meine Kinder nicht wiedererkenne – und doch genau das in ihnen erkennen kann, was ich mir immer erhofft und erträumt habe: liebenswerte junge Menschen, die sich um andere sorgen, die ihr Leben im Griff haben (und meines), die sich gar nicht so viel streiten und sogar ein bisschen was aufräumen, um ihrem Vater eine Freude zu machen. Niemals war es schöner, krank zu sein. Meine Kinder sind halt doch die allerallerbesten!
Die verrückteste Lebensform der Welt
Zugegeben, es geht in diesem Buch hoch her. Und was sich an Irrsinn ansammelt im Laufe der Jahre, die Eltern und Kinder zusammenleben, das könnte gut und gern eine ganze Bibliothek füllen. Eigentlich ist es völlig verrückt, sich eine Familie anzuschaffen: Es kostet Zeit, Geld und Nerven – von allem gefühlt mehr, als man hat. Schon das Zusammenleben von Frau und Mann steht genau genommen völlig im Widerspruch zur Natur. Beide haben einfach allzu unterschiedliche Bedürfnisse. Niemals wird ein Mann eine Frau wirklich verstehen – von der umgekehrten Variante ganz zu schweigen. Wir denken und fühlen unterschiedlich. Wir betrachten die Welt ganz unterschiedlich. Für ein gemeinsames Leben gibt es nicht wirklich eine Basis – außer der Liebe. Aber zugegeben, die macht auf wundersame Weise alles wieder gut. Zeit kann Wunden heilen, und Liebe ist das beste Schmerzmittel. Sie lässt uns darüber hinwegsehen, wie hart es für Männer ist, sich ständig Vorwürfe wegen vermeintlicher Unzulänglichkeiten machen lassen zu müssen. Frauen lässt sie verwinden, wie nervig es ist, dass er auch nach zwanzig Jahren den Klodeckel noch immer nicht runterklappt und dafür den Hintern nicht hochbringt, wenn mal was im Haushalt erledigt werden muss. Männer und Frauen sind einfach zu verschieden.
Und doch ist diese Unterschiedlichkeit nichts im Vergleich zu dem, was passiert, wenn Kinder dazukommen. Kinder! Das Wort sollte im Synonym-Lexikon unter »Katastrophen« geführt werden. Kinder behindern fast alles: das Liebesleben, die gemütlichen Wochenenden im Bett, den geruhsamen Schlaf, die Karriere- und die Urlaubspläne. Egal, was in einer Familie angeschafft
Weitere Kostenlose Bücher