Gäbe es die Liebe nicht
nicht, aber er sah sofort, dass sie hier arbeitete. Auf dem Tisch am Fens ter stand eine Schreibmaschine, daneben lagen Bücher und Papierstapel. In einer Tasse steckten stumpfe und frisch angespitzte Bleistifte.
„Der Kaffee dauert nur eine Minute“, sagte sie, um das angespannte Schweigen zu brechen.
Er hörte, wie nervös sie war. „Du siehst blass aus, Anna.“
„Ich bin selten in der Sonne. In den ersten Wochen geht es immer hektisch zu.“
„Und an den Wochenenden?“
„Bin ich im Krankenhaus.“
„Wenn du Ärztin wärst, würdest du Überarbeitung diagnostizieren müssen.“
„Ich bin noch nicht Ärztin.“ Sie stellte ihm den Kaffee hin, zögerte kurz und setzte sich zu ihm. „Ich habe heute mit Myra gesprochen. Sie hat mir erzählt, dass du in Hyannis Port zu bauen begonnen hast.“
„Ja.“ Er hatte zugesehen, wie die Fundamente geschüttet wurden. Und es hatte ihm nichts bedeutet. Überhaupt nichts. „Wenn alles klappt, wird das Haus im nächsten Sommer bezugsfertig sein.“
„Das ist schön.“ Ihr Kaffee schmeckte grauenhaft. Sie hob ihn beiseite.
„Ich habe die Pläne im Wagen. Möchtest du sie sehen?“
„Gern.“
Stirnrunzelnd starrte er auf seine Hände. Er brauchte eine ganze Minute, um genug Mut aufzubringen. Geständnisse fielen ihm nicht leicht. „Ein Mann gibt nicht gern zu, dass er sich geirrt hat, Anna. Und er stellt sich auch nicht gern der Frau, die sich von ihm abgewandt hat, weil er es nicht zugeben konnte.“
Seine Ehrlichkeit machte ihr bewusst, wie sehr sie ihn liebte. „Ich habe mich nicht von dir abgewandt, Daniel.“
„Du bist weggelaufen.“
Sie schluckte. „Also gut, ich bin weggelaufen. Vor uns beiden. Ist dir klar, dass du mir gerade mehr von dir gegeben hast als in der ganzen Zeit unseres Zusammenlebens?“
Er nahm eins ihrer Bücher vom Tisch und las den Titel. „Ich habe dich nie gefragt, warum du Chirurgin werden willst. Jetzt frage ich dich.“
Sie zögerte. Wollte er es wirklich wissen? „Ich habe einen Traum“, antwortete sie leise. „Ich möchte etwas bewirken.“
Schweigend musterte er sie. „Ich habe auch einen Traum, Anna.“ Er legte das Buch hin. „Das hier ist eine kleine Wohnung. Aber ich glaube, sie ist groß genug für zwei.“ Dann stand er auf und nahm ihre Hände.
Langsam stieß sie den angehaltenen Atem aus, bevor sie die Arme um ihn schlang. „Wir werden ein größeres Bett brauchen.“
„Da hast du Recht.“ Lachend nahm er sie auf die Arme und küsste sie. Die Erleichterung durchströmte ihn, bis er geradezu berauscht war. „Ich habe dich vermisst, Anna. Ich möchte nie wieder ohne dich sein.“
„Nein“, flüsterte sie und schmiegte sich an ihn.
„Ich wollte eine Frau, die auf mich wartet, wenn ich abends nach Hause komme. Eine, die immer frische Blumen in den Vasen und strahlend weiße Spitzengardinen an den Fenstern hat. Eine, die immer mit dem zufrieden ist, was ich ihr biete.“
Sie blickte zu dem Bücherstapel auf dem Tisch, bevor sie Daniel ansah. „Und jetzt?“
„Jetzt glaube ich, dass eine solche Frau mich schon nach einer Woche langweilen würde.“ Er lächelte. „Ich gebe nicht auf, Anna. Du wirst mich heiraten. Am Tag nach deinem Abschluss. Du wirst keine vierundzwanzig Stunden Dr. Whitfield sein.“
Sie legte die Hände an seine Brust. „Daniel, ich …“
„Ab dann wirst du Dr. MacGregor sein.“
Sie entspannte sich sichtlich und holte tief Luft. „Ist das dein Ernst?“
„Ja. Und du wirst es ertragen müssen, dass ich meine Frau als die beste Chirurgin des Landes vorstelle. Ich will deinen Traum mit dir teilen, Anna, und ich möchte, dass du meinen mit mir teilst.“
„Es wird nicht leicht werden. Als Assistenzärztin werde ich fast rund um die Uhr im Dienst sein.“
„Und in zwanzig Jahren werden wir zurückblicken und uns fragen, wie wir das durchgestanden haben. Jetzt bitte ich dich, meine Frau zu werden, weil ich dich so liebe, wie du bist.“
Sie schaute ihm in die Augen. „Hast du den Ring noch?“ „Ja.“ Er griff in die Tasche. „Ich hatte ihn immer bei mir.“
Lachend hob sie die Hände an sein Gesicht. „Dieses Mal nehme ich ihn.“ Als er ihr den Ring aufsetzte, legte sie eine Hand auf seine. „Und hier ist mein Versprechen, Daniel. Ich werde mein Bestes tun.“
Der Ring glitt auf ihren Finger. „Das ist gut genug.“
EPILOG
Anna hatte in der Nacht kaum geschlafen, war nur hin und wieder eingenickt. Sie legte sich nicht auf die Liege, die man ihr
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