Garp und wie er die Welt sah
und Duncan bedauerte, dass er nun nicht
mehr imstande sein würde, ihr zu beweisen, dass er es
konnte. Er [829] fühlte jetzt Verantwortung und staunte über seinen Vater, der
Schriftsteller gewesen war, als er noch so jung war –
der Kinder gehabt hatte, der Duncan gehabt hatte, als
er noch so jung war. Duncan fasste in dem Krankenhaus in Vermont viele
Entschlüsse; die meisten davon sollte er auch ausführen.
Er schrieb an Ellen James, die
sein Unfall noch zu sehr aufwühlte, als dass sie kommen und ihn über und über
eingegipst und geschient sehen konnte.
Es wird
Zeit, dass wir beide an die Arbeit gehen, obwohl ich einiges aufzuholen habe –
um Dich einzuholen. Jetzt, wo 90 nicht mehr ist, sind wir eine kleinere
Familie. Wir wollen aufpassen, dass wir niemanden mehr verlieren.
Er hätte seiner Mutter gern
geschrieben, dass er alles tun wollte, damit sie stolz auf ihn sein konnte,
aber er wäre sich albern vorgekommen, wenn er es ihr gesagt hätte, und er
wusste, wie stark seine Mutter war – wie wenig sie jemals Trost und Zuspruch brauchte. So zeigte er der jungen Jenny seine neue
Begeisterung.
»Verdammt noch mal, wir brauchen
Energie«, erklärte Duncan seiner Schwester, die eine Menge Energie hatte. »Das
ist dir nämlich entgangen – weil du den alten Herrn nicht richtig gekannt hast.
Energie! Man muss selbst welche entwickeln!«
» Ich hab genug Energie«, sagte Jenny. »Meine Güte, was denkst du eigentlich, was ich
die letzte Zeit gemacht hab – denkst du vielleicht,
ich hätte mich nur um dich gekümmert?«
[830] Es war an einem
Sonntagnachmittag; Duncan und Jenny sahen immer die Profi-Footballspiele in
Duncans Krankenhausfernseher. Es war ein weiteres gutes Omen, dachte Duncan,
dass der Sender von Vermont an diesem Sonntag das Spiel aus Philadelphia
übertrug. Die Eagles waren drauf und dran, von den Cowboys eingepackt zu
werden. Auf das Spiel kam es jedoch nicht an. Duncan freute sich am meisten über
die Zeremonie vor dem Spiel. Die Fahne stand für den ehemaligen Linksaußen auf
halbmast. Die Anzeigetafel blitzte 90! 90! 90! Duncan bemerkte, wie die Zeiten
sich geändert hatten; jetzt gab es zum Beispiel überall feministische
Beerdigungen; er hatte gerade von einer sehr großen in Nebraska gelesen. Und in
Philadelphia brachte der Sportreporter es fertig, ohne Stocken zu sagen, dass
die Flagge für Roberta Muldoon auf halbmast wehte.
» Sie war ein großartiger Sportler«, brummte der Reporter. »Hände, die man nicht
vergisst.«
»Ein außergewöhnlicher Mensch«,
stimmte der zweite Reporter zu.
Der erste Mann redete wieder.
»Ja«, sagte er, »sie tat eine Menge für…«, und er strampelte sich ab, während
Duncan darauf wartete zu hören, für wen – für Freaks,
für Überkandidelte, für sexuelle Irrläufer, für seinen Vater und seine Mutter
und ihn und Ellen James. »Sie tat ’ne Menge für Leute mit ’nem komplizierten Leben«, sagte der Sportreporter, sich selbst und Duncan Garp überraschend – aber mit Würde.
Die Kapelle spielte. Die Dallas
Cowboys bekamen den ersten Ball gegen die Philadelphia Eagles; die Eagles
sollten übrigens nicht viele Bälle bekommen. Und Duncan Garp [831] konnte sich
vorstellen, wie sein Vater die Bemühungen des Reporters ausgekostet hätte,
taktvoll und freundlich zu sein. Duncan malte sich aus, wie Garp und Roberta
sich daran weideten; er fühlte irgendwie, dass Roberta dabei war – um das
Loblied auf sich zu belauschen. Sie und Garp hätten sich königlich über die
verlegenen Worte amüsiert.
Garp würde den Reporter
nachäffen: »Sie tat ’ne Menge für neue Vaginas!«
»Ha!«, hätte Roberta geröhrt.
»O Mann!«, hätte Garp gebrüllt.
»O Mann.«
Als Garp getötet wurde, erinnerte
sich Duncan, hatte Roberta gedroht, ihre Geschlechtsumwandlung rückgängig machen zu lassen. »Ich wäre lieber wieder ein
Kerl«, wimmerte sie, »als zu glauben, dass es in dieser Welt Frauen gibt, die
sich über diesen dreckigen Mord von dieser dreckigen Fotze freuen!«
Hör auf!
Hör auf! Sag dieses Wort nie wieder!,
kritzelte Ellen James.
Es gibt
nur Menschen, die ihn liebten, und Menschen, die ihn nicht kannten – ob Männer oder Frauen,
schrieb Ellen James.
Dann hatte Roberta Muldoon sie
alle der Reihe nach hochgehoben; sie drückte sie – feierlich, ernsthaft und
großherzig – auf ihre berühmte Art und Weise an sich.
Als Roberta starb, rief eine sprechende Person unter den Stipendiatinnen der Fields
Foundation Helen an. Helen,
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