Garstige Gnome
winzige Lichtpunkte in die Dunkelheit hinaufstoben und dort mit ohrenbetäubenden Explosionen zu gigantischen Feuerblumen und brennendem Regen zerbarsten, der vom Firmament herabrieselte. So was gibt’s in Sumas nie , dachte Sam.
Soweit es ihn betraf, war das Leben in Sumas das Langweiligste, was man sich überhaupt vorstellen konnte. Das Städtchen schmiegte sich an die dicht bewaldeten Ausläufer des Cascade-Gebirgszuges. An der Hauptstraße gab es nur ein paar Tante-Emma-Läden, die Stop-n-Sip-Tankstelle und ein altes Handelshaus. Selbst für einen Wal-Mart oder McDonald’s war der Ort zu klein. Hier gibt’s nichts, was halbwegs spannend ist , dachte er verdrossen.
Da im Moment Schulferien waren, konnte Sam tun, was er wollte, bis sein Vater aus der Bar nach Hause gewankt kam. Aber tagsüber fernzusehen langweilte ihn, vor der Tankstelle abzuhängen wurde auch schnell öde, und den Wald hatte er schon so oft erkundet, dass er die Pfade rings um Sumas praktisch mit geschlossenen Augen abschreiten konnte. Zum Autofahren war er noch zu jung, deshalb konnte er nicht einmal ins Kino nach Bellingham rüberdüsen, außer natürlich, wenn er sich ein Auto »ausborgte«. Manchmal fuhr er heimlich den alten Pick-up seines Dads, aber er war nicht groß genug, um vollständig über das Armaturenbrett schauen zu können, deshalb fuhr er nie sehr weit.
Als Kind musste man sich in Sumas seinen Spaß schon selbst ausdenken, dachte Sam, so wie das eine Mal, als er hinter der Kirche mit dem Gartenschlauch einen imaginären Ozean angelegt hatte – allerdings ein bisschen zu nah am Kirchenkeller, und der Pastor hatte entdecken müssen, dass im Untergeschoss seine Sofas im Wasser trieben. Ein anderes Mal hatte er sich vorgestellt, die durchfahrenden Achtzehn-Achsen-Lastzüge wären feindliche Panzer, die er mit frisch gepflückten Mörsergranaten aus Mr. Richeys Tomatengarten bombardierte. Auch dafür hatte er Ärger bekommen.
Sam beäugte die knallbunte Malerei explodierender Feuerwerkskörper an der unverschlossenen Lastwagentür. Im Wald ein paar Raketen zu zünden wäre ein Abenteuer , überlegte er. Er blickte zur Toilettentür. Sie war noch zu.
Sam stürmte hinüber und schob rasch einen Stein unter die Tür, so dass sie blockiert war. Er eilte wieder zur Vorderseite der Tankstelle und vergewisserte sich, dass der Kassierer ihn nicht sah, dann rannte er über den Parkplatz, kletterte ins Führerhaus des Lastwagens und schlüpfte nach hinten auf die Ladefläche. Er schlug die Plane zurück, die die Fracht bedeckte, und ihm stockte der Atem. Auf der Ladefläche des Lasters standen Hunderte von Kisten, die randvoll mit Feuerwerkskörpern waren. Niemand wird merken, wenn ein paar davon fehlen, dachte Sam. Wie soll ich dafür Ärger bekommen?
2
PJ
W ährend Sam Hill sich im Laster zu schaffen machte, fuhr PJ Myrmidon in seinem schnauben den olivgrünen 69er Camaro durch die friedvollen Wa shingtoner Wälder auf Sumas zu. Er wischte den Schmutz von der Innenseite der Windschutzscheibe und erblickte ein Straßenschild, auf dem stand:
Sumas, Washington – 10 Meilen
Kanada – 11 Meilen
Noch zehn Minuten Freiheit , dachte er. Nach drei Tagen Fahrerei war er fast am Ende des Trips. Mit einem kräftigen Tritt aufs Gaspedal ließ er den Camaro aufheulen, trommelte zu einem Song von Slug Bait aufs Lenkrad und schüttelte rhythmisch die langen Haare. Aufkleber von anderen Rockbands wie Social Disease, Shelf Life und The Wags zierten seine Stoßstange, und sein kalifornisches Nummernschild wackelte in der Halterung. Fast-Food-Verpackungen und Limo-Dosen stapelten sich bis in Schienbeinhöhe auf dem Wagenboden. PJ griff in den Haufen hinein und fischte einen halb gegessenen Hamburger heraus. Das Ding war matschig, labberig und zwei Tage alt. »Lecker!« PJ grinste und hob den Hamburger zum Mund.
Zehn Meilen weiter donnerte er nach Sumas hinein. Es war Abend, die Sonne versank hinter den Tannen, und kein einziges Geschäft hatte noch geöffnet. Es war noch nicht einmal dunkel, doch nirgends war ein Mensch zu sehen. Vor einem der kleinen Läden schlief ein alter Hund, aber er lag so still da, dass PJ sich nicht sicher war, ob der Kläffer noch lebte. Das ganze Städtchen wirkte wie tot, besonders für einen Burschen aus Los Angeles.
Dann tauchten hinter ihm plötzlich blitzende blaue und rote Lichter auf. Seufzend nahm PJ den Fuß vom Gaspedal. Die Reifen rollten über den knirschenden Kies am Straßenrand, bis der Camaro
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