Gefährliche Gefühle - zu schön zum Sterben
dieser Fall vorerst ungeklärt und füllte seitenweise die Zeitungen. Die ganze Sache war ein Riesenskandal. Und Silvy war mittendrin und genoss die Aufmerksamkeit. Sie erzählte die Geschichte »Wie ich dem Mörder entfloh« jedem Reporter, der sie hören wollte. »Ich habe mich und meine Mitarbeiterin vom Feendienst da rausgeholt und dafür gesorgt, dass er geschnappt wurde«, prahlte sie. »Ich bin eben immer für andere da.« Immerhin lieà sie die Behauptung mit dem sexuellen Ãbergriff unter den Tisch fallen. Trotzdem war fast alles, was sie sagte, erstunken und erlogen. Mir war das total schnuppe â solange über mich nichts in der Zeitung stand. Aber als ich Becky mittags besuchte, fragte sie: »Was sollen wir dagegen unternehmen?«
Sie saà auf der Bettkante und lieà das eine Bein runterbaumeln und hielt die Zeitung mit Silvys Angeberfoto hoch. Statt der üblichen Schlabbersachen trug sie eine Jeans und einen schönen roten Pullover. Ihre Haare waren frisch gewaschen. Die Kamera-Brille trug sie nicht mehr.
»Nichts«, sagte ich. »Lass sie mal machen. Solange sie keine gemeinen Lügen über mich erzählt â¦Â«
»Du bist zwar bescheuert«, sagte Becky und legte die Zeitung weg. »Aber ansonsten ganz okay.«
»Du auch. Danke, dass du versucht hast, mich zu retten.«
»Mit zwei Beinen hätte ich es vielleicht geschafft.«
Ihre Mutter kam rein. »Fertig?«, fragte sie.
Becky nickte.
»Fertig wofür?« Erst jetzt fiel mir auf, dass ihr Zimmer so aufgeräumt war.
»Für die Rehaklinik.«
»Du gehst in die Reha?«, fragte ich verblüfft.
»Irgendwo muss ich das Prothesenlaufen ja üben, oder?«, sagte sie patzig. Ich blickte erstaunt zu Martina Terbrüggen, die Tränen in den Augen hatte. Aber diesmal vor Freude.
»Das ist ja fantastisch, Becky!«, rief ich.
»Freu dich nicht zu früh«, unkte sie. »Vielleicht klappt es ja auch gar nicht.«
»Blödsinn. Ich weiÃ, dass du das schaffst. Du schaffst alles, wenn du willst.« Ich umarmte sie und drückte sie feste.
»Hör bloà auf rumzuschleimen«, sagte Becky. »Und komm mich mal besuchen. Es lohnt sich für dich.« Sie lachte. Schnell checkte ich, ob mein Smartphone noch in meiner Tasche war. Ja, es war noch da. Ich sah nur, dass ich eine EMail geschickt bekommen hatte. Mit vielen Anhängen.
»Meine Bilder«, sagte ich. »Da sind sie ja wieder!«
»Gern geschehen«, sagte sie. »Kommst du, Mama?« Becky schnappte sich die Krücken und humpelte ziemlich schnell zur Tür.
»Moment noch, Schatz.« Martina Terbrüggen schaute mich gerührt an, suchte nach Worten.
»Gern geschehen«, sagte ich schnell, denn in so sentimentalen Angelegenheiten bin ich gar nicht gut. »Ich freue mich sehr. Für euch beide.«
Sie umarmte mich und drückte mir einen Kuss auf die Wange, dann drehte sie sich um und lief ihrer Tochter hinterher. Ich setzte mich auf Beckys Bett und atmete tief durch. Ich nahm mein Handy aus der Tasche und spielte einen Moment damit rum. Und dann tat ich es. Ich rief Justus an. Einfach nur so. Um zu plaudern.
»Hey, ich binâs.«
»Hey Nats. Wie gehtâs?«
»Gut. Und dir? Hab von meiner Mutter gehört, dass du ein bisschen Ãrger hattest.«
»So kann man es auch sagen.«
Und dann erzählte ich ihm alles. Von Bastian und der Tasche, von Becky und vom Krankenhaus.
»Hey, das nächste Mal sagst du mir aber Bescheid, wenn ich dir helfen kann, in Ordnung?«, sagte er und es klang ehrlich.
»Mach ich.« Mir fiel was ein. »Ach, eine Frage noch. Wann ist Mister Schrott eigentlich kaputtgegangen?«
»Hatte ich dir das nicht erzählt? Auf der Feier von Kerns damals. Als ich mit meiner Mutter nach Hause fahren wollte, sprang er nicht mehr an.«
»Echt?«
»Ja, war voll doof, weil meine Mutter dringend zur Arbeit musste. Aber ein Kollege von ihr hat uns dann mitgenommen.«
Deswegen hatte der Wagen also noch dagestanden! War ich froh, dass ich ihm gegenüber die Fotos von Enzo und mir nicht erwähnt hatte.
»Justus«, sagte ich aufrichtig, »du bist der anständigste Kerl, den ich kenne.«
»Danke«, sagte er.
»Und Justus?«
»Ja?«
»Ich finde deine Freundin echt nett.«
»Ja, das ist sie.« Er machte eine Pause. Und fügte leise hinzu: »Aber sie
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