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Gefaehrliche Gefuehle

Gefaehrliche Gefuehle

Titel: Gefaehrliche Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanna Dietz
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Nur machte es die Sache kein bisschen leichter. Und kaum hatte ich das gedacht, klingelte mein Handy. Er war es. Ich atmete tief ein, ging ran, und als ich »Hi Justus« sagte, versuchte ich, meiner Stimme einen normalen Klang zu geben. Ganz so, als ob ich ihm heute nicht das Herz brechen müsste.

2
    A ls ich am frühen Nachmittag um die Ecke zu Justus’ Haustür ging, spähte ich ins Gebüsch. Irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass Bastian noch einmal hier auftauchen würde. Aber heute kam er nicht aus dem Gestrüpp gesprungen. Natürlich nicht.
    Ich ging gerade noch einmal meine Gesprächseröffnung durch, da schwang auch schon die Tür auf und Justus stand vor mir. Mit seinen verstrubbelten dunkelblonden Haaren und dem lausbübischen Grinsen.
    »Hi Nats«, sagte Justus und grinste. »Schön, dass du da bist.«
    Ich musste schlucken. Wie viel schwerer alles ist, wenn man sich persönlich gegenübersteht! Meine ganzen tollen Überlegungen, wie ich ihm alles erklären würde, waren in null Komma nix verdampft. Ich fühlte mich nur noch hundeelend, total miserabel und schlichtweg einfach schrecklich.
    »Huaaa, ist das kalt heute«, war alles, was mir auf seine nette Begrüßung einfiel, und das war schon eine beachtlich schwachsinnige Bemerkung. Doch Justus ließ sich nichts anmerken, nahm mich in den Arm und ich atmete seinen vertrauten Duft nach frisch gemähtem Gras ein. »Keine Sorge, hier drinnen wird dir schnell wieder warm«, sagte er sanft. »Hab extra die Heizung aufgedreht.«
    Ach du je. Mein Herz wurde schwer wie ein nasser Sack. Er war so lieb! Das machte alles noch schwieriger. Beklommen und nervös stieg ich hinter ihm die Treppe hoch und hoffte auf ein Wunder. Irgendwas, das verhindern würde, dass ich es ihm gestehen müsste. Irgendwas, das verhindern würde, dass ich ihn verletzen würde. Ich schloss die Zimmertür hinter mir und lehnte mich kurz daran, um mich zu sammeln. Da drehte sich Justus um und hatte ein Paket in der Hand. »Hier, für dich.« Er hielt mir den Karton hin. Er war oben offen. Ich sah rote Stoffpäckchen und eine Schnur.
    »Was ist das?«, fragte ich und zog an der Schnur. Es waren vierundzwanzig Stoffherzen, die Justus mit kleinen Geschenken gefüllt hatte.
    »Ein Adventskalender. Hab ich selbst gemacht. Also, na ja. Selbst gefüllt.«
    »Oh, Justus«, stammelte ich. »Das ist aber …« Ich wusste nicht weiter.
    Er grinste verschmitzt. »Gern geschehen.«
    »Aber ich habe gar nichts für dich«, krächzte ich verlegen. Außer einer Riesenenttäuschung.
    »Ist doch egal«, sagte Justus. Ich fühlte mich noch mieser, wenn das überhaupt möglich war, und hatte Angst, dass ich anfangen würde zu heulen. Deswegen stellte ich den Karton auf den Boden und beugte mich darüber, als ob ich mir alles ganz intensiv anschauen würde.
    Justus setzte sich auf seinen Drehstuhl vor dem Computer. Ich versuchte, meine Fassung wiederzugewinnen, und ließ die seidene Schnur mit den vierundzwanzig Säckchen immer wieder durch meine Finger gleiten. Justus’ Adventskalender machte mich echt noch fertiger. Und trauriger. Die Atmosphäre war total verkrampft. Das schien auch Justus zu bemerken, denn er fing an, mit seiner Maus rumzuklicken. »Guck mal«, rief er betont lässig. »Elvis lebt!«
    Endlich hatte ich die drohende Heulattacke überwunden und konnte wieder aufschauen. Nur der fette Kloß in meinem Hals rückte kein Stückchen zur Seite. Auf dem Computermonitor hatte er eines seiner beknackten Infrarotbilder geöffnet, die er wie ein Besessener machte, seit sein Vater so eine Kamera gekauft hatte, um einen nächtlichen Gartenräuber zu überführen. Diesmal war es ein Bild von einer ausgestreckten Hand oder Pfote und dahinter – unscharf – einem Gesicht mit zwei reflektierenden Augen, einem seltsamen Backenbart und einer Tolle. »Was ist das?«, fragte ich.
    »Das ist Elvis.«
    Die Ähnlichkeit mit dem Sänger war nur mit einer Menge Fantasie zu erkennen. »Ist das ein Waschbär?«
    Justus nickte. »Er ist es, der nachts immer den Komposthaufen und neuerdings auch die Mülltonnen durchwühlt. Total gierig und unersättlich. Deswegen und wegen seiner lustigen Koteletten haben wir ihn Elvis getauft. Und schau mal hier.« Er klickte weiter auf der Suche nach einem anderen Bild.
    »Justus«, unterbrach ich ihn mit belegter Stimme. »Ich muss mit dir reden.« Ich räusperte mich. Er sah mich an. Aufmerksam. Liebevoll. Ich atmete tief ein. Suchte nach Worten. Nach einer Formulierung, die das,

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