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Gefährliche Praxis

Gefährliche Praxis

Titel: Gefährliche Praxis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Klopfen, also öffnete ich die Tür und steckte meinen Kopf hinein. Da lag sie, auf der Couch, die nicht weit von der Tür entfernt ist, ich konnte sie gar nicht übersehen. Mein erster Gedanke war: Sie ist eingeschlafen, aber dann sah ich das Messer aus ihrer Brust ragen. Und Emanuel nirgends zu sehen. Ich hatte die Geistesgegenwart, die Tür wieder zuzumachen und dem Patienten zu sagen, daß er lieber gehen solle. Er war neugierig und zögerte offensichtlich, einen Ort zu verlassen, an dem er ein Drama vermutete, aber ich habe ihn hinausbegleitet. Ich war absolut ruhig, wie man das oft nach einem Schock ist.«
    »Und dann hast du die Polizei angerufen?«
    »Nein. Ich habe überhaupt nicht an die Polizei gedacht, jedenfalls nicht in dem Augenblick.«
    »Aber was hast du dann getan?«
    »Ich bin hinübergerannt zu dem Arzt gegenüber. Er war sehr nett und kam sofort mit mir, obwohl er die Praxis voller Patienten hatte. Er heißt Barrister, Michael Barrister. Er sagte mir, daß sie tot sei.«

3
     
    »D as Essen wird wohl gleich serviert«, sagte Emanuel, als er ins Schlafzimmer trat. »Hallo, Kate. Pandora hat auch für dich gedeckt. Wie diese Frau einfach so weitermacht, ist mir ein Rätsel, aber sie hat ja noch nie etwas für die Polizei übrig gehabt.«
    »Du hältst dich auch ganz gut«, sagte Kate.
    »Heute war es ja im Grunde noch so wie sonst. Die Patienten wußten noch nichts, bis auf den letzten um sechs Uhr. Der hatte eine Abendzeitung bei sich.«
    »Wird es schon in der Zeitung erwähnt?« fragte Nicola.
    »Erwähnt? Ich fürchte, im Augenblick sind wir der Aufmacher. Psychiatrie, Couch, Patientin, männlicher Doktor, Messer – man kann es ihnen kaum verübeln. Laß uns den Jungen gute Nacht sagen und dann zu Abend essen.«
    Doch es dauerte bis nach dem Dinner – sie waren inzwischen im Wohnzimmer –, ehe wieder von dem Mord die Rede war. Kate hatte halbwegs erwartet, daß Emanuel gleich verschwinden würde, aber anscheinend wollte er darüber reden. Normalerweise trieb ihn ein inneres Bedürfnis, »etwas zu tun«, »die Zeit zu nutzen«, von gesellschaftlichen Anlässen fort, und wenn er blieb, stand er unter dem Druck einer sich steigernden inneren Spannung. Aber heute abend, da von draußen ein wirkliches Problem drohte, schien Emanuel sich fast dankbar und ganz entspannt in die Betrachtung einer Sache zu vertiefen, die sich außerhalb seiner Kontrolle befand. Daß der Mord etwas war, was von außen zu ihm eingedrungen war, verschaffte ihm so etwas wie Erleichterung. Kate bemerkte das und wußte, die Polizei würde seine Ruhe als ein Symptom mißdeuten, als ein Zeichen von Schuld, obwohl es – wenn sie es nur wüßten – gerade Ausdruck seiner Unschuld war. Hätte er das Mädchen ermordet, dann wäre das Ganze natürlich kein Problem, das quasi draußen, vor der Tür, blieb. Aber welchen Polizisten auf der Welt könnte man von alledem überzeugen? Stern? Kate zwang sich, ihre Gedanken wieder auf die Fakten zu konzentrieren.
    »Emanuel«, fragte sie, »wo bist du zwischen zehn vor elf und halb eins gewesen? Erzähle mir jetzt nicht, du hättest einen Schlag auf den Kopf bekommen und seist umhergeirrt, ohne zu wissen, wer du bist.«
    Emanuel sah sie an, dann Nicola und sagte schließlich zu Kate: »Wieviel hat sie dir erzählt?«
    »Nur, wie der normale Tag verlief, und natürlich ein, zwei Worte darüber, wie sie die Leiche gefunden hat. Die magische Stunde selber haben wir für den Augenblick mal übersprungen.«
    »Magisch ist das richtige Wort«, sagte Emanuel. »Das Ganze ist derart schlau eingefädelt, daß ich der Polizei wirklich keinen Vorwurf machen kann, wenn sie mich verdächtigt. Fast verdächtige ich mich selbst. Wenn du zu dem durchaus berechtigten Verdacht der Polizei den geheimnisumwobenen und noch immer, wie ich fürchte, nicht wirklich als amerikanisch akzeptierten Beruf des Psychiaters dazurechnest, ist es kein Wunder, wenn sie annehmen, daß ich durchgedreht sei und das Mädchen auf meiner Couch erdolcht hätte. Ich glaube, sie haben da keinerlei Zweifel.«
    »Warum hat man dich nicht festgenommen?«
    »Das habe ich mich auch gefragt und bin zu dem Schluß gekommen, daß es einfach noch nicht genug Beweise gegen mich gibt. Ich weiß nicht genau, was für eine Verhaftung alles erforderlich ist, aber ich denke mir, die Staatsanwaltschaft muß erst einmal überzeugt werden, daß die Beweise für eine Verurteilung ausreichen, bevor sie einer Verhaftung und einem Verfahren zustimmt.

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