Gefaehrliche Schatten
eine Weile wach bleiben und über sein Glück nachdenken.
Fünf Minuten später sank er in einen komaartigen Schlaf.
Sechs Stunden später erwachte er durch etwas, das er hinter sich gelassen zu haben glaubte.
Gewehrfeuer.
6. K APITEL
Es klang wie das Zerreißen von Seide. Allegra kniff die Augen zusammen, ein bisschen ärgerlich, dass sie jemand aufgeweckt hatte. Sie hatte eben geträumt, mit Douglas auf einer tropischen Insel zu sein …
Sie setzte sich kerzengerade im Bett auf, ihr Herz hämmerte. Das war keine Seide, die zerrissen wurde. Das waren … Schüsse? Jemand feuerte Schüsse ab? Hier in Kratior?
»Douglas?«, sie flüsterte.
Draußen war genug Mondlicht, um zu sehen, wie Douglas‘ Schatten sich bewegte. Er kleidete sich rasch an, kam an die Seite des Bettes. Er nahm ihre Hand.
»Honey«, sagte er, »es passiert etwas. Ich muss nachsehen, ob Yannis okay ist. Ich möchte, dass du hier bleibst. Geh nicht aus dem Zimmer, öffne niemandem die Tür außer mir oder Yannis. Alles klar?«
Allegra öffnete den Mund, um Douglas zu sagen, er solle nicht gehen. Er solle hier bleiben, bei ihr. Wenn sie sich hier einsperrten, waren sie in Sicherheit. Aber sie sagte es nicht. Douglas war nicht fähig, sich zu verstecken und zu ducken. Wenn sein Freund ihn brauchte, musste er gehen.
Also nickte sie nur. »Sei vorsichtig«, war alles, was sie aus ihrem zugeschnürten Hals hervorbrachte.
Aber er war schon weg, war so leise durch die Tür hinaus geschlüpft, dass sie ihn nicht hören konnte.
Wieder die Schießerei, einzelne Schüsse dieses Mal.
Sie saß in der Dunkelheit an das Kopfende des Bettes gelehnt und umschlang ihre Knie. Welch ein Glück, dass sie Douglas erst getroffen hatte, nachdem er aus dem aktiven Dienst als SEAL ausgetreten war. Sie sandten ihn auf eine Mission nach der anderen – das hätte ihr Herz gebrochen. Wortwörtlich. Sie konnte fühlen, wie heftig das Herz in ihrer Brust schlug, als wollte es sich einen Weg nach außen bahnen.
Nach einer Viertelstunde war die Spannung so groß, dass sie nicht still sitzen konnte. Sie warf die Bettdecken zurück und ging hinaus auf die Terrasse. Draußen auf dem Meer geschah nichts. Keine Lichter, keine Boote. Sie hielt sich im Schatten, während sie zum Rand der Terrasse kroch, um zu sehen, was unten in der Anlage geschah. Die Terrasse war sehr geschützt angelegt mit Bougainvillea-Rankgitter an den Seiten. Sie konnte aber vorsichtig die stacheligen Zweige auf eine Seite schieben und versuchen zu sehen, was unten los war.
Nichts. Nichts geschah unten in der Anlage. Dunkelheit und Stille.
Nur … ein Schatten! Er bewegte sich lautlos von hinter einer mächtigen Pinie zu einem üppigen Oleanderbusch.
Und Allegra erkannte, dass all die Schatten, die sie gesehen hatte, keine Sehstörungen waren. Keine Zeichen, dass die Blindheit zurückkehrte. Sie waren echt.
Sie beobachtete, wie der Schatten sich zusammenkauerte und dann weiterschlich.
Der Schatten begann zu laufen …
Douglas und Yannis würden nichts von dem Schatten wissen. Sie musste ihnen irgendwie Bescheid geben.
Und dann durchbrach eine gewaltige Explosion die Stille und ein Licht, so hell wie die Sonne, erleuchtete die Nacht.
* * * *
Scheiße! Scheiße! Scheiße!
Wie beschissen! Er war unbewaffnet!
Douglas folgte dem Geräusch der Schüsse. Das hatte er schon tausende Male getan, aber nie unbewaffnet. Nein, wenn er in eine Schlacht ging, war er kampfbereit. Bewaffnet bis zu den Zähnen, mit einer Panzerweste und einem Nachtsichtgerät. Jetzt war er blind und schutzlos.
Die Schüsse waren aus der Richtung des Restaurants gekommen. Er blieb so gut er konnte in Deckung, aber dazwischen waren lange Strecken von nur Gras und niedrigen Büschen. Er kauerte neben einem Rankgitter nieder und holte sein Mobiltelefon heraus. Wo bist du?, simste er Yannis. Es war sinnlos zu fragen, was hier los war. Jemand schoss, das war alles, was er zu wissen brauchte. Es blieb nur die Frage – wo und wie viele böse Jungs waren es?
Hinter Wasserzisterne, antwortete Yannis und Douglas begann zu laufen. Vorsichtig, aber er gab jetzt dem Tempo den Vorzug auf Kosten der Deckung. Er erreichte die Wasserzisterne und kauerte sich neben Yannis nieder. »Lagebericht. Terroristen?«
Im schwachen Licht, das vom Gebäude kam, konnte er den Ärger auf Yannis‘ Gesicht sehen. »Nein, ich glaube, wir haben da ein paar gute altmodische Entführer. Sie sind im Speisesaal. Sie haben Esterhaze mit Klebeband an einen
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