Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefaehrliche Versuchung

Gefaehrliche Versuchung

Titel: Gefaehrliche Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer
Vom Netzwerk:
konnte er bleiben? Er würde niemals die große, laute Familie haben, die er sich immer gewünscht hatte. Sein Haus würde still sein – nur das Geräusch von tickenden Uhren und die leisen Schritte der Diener würden zu hören sein. Seine Feiertage wären öde und seine Nächte kalt.
    Seine Eltern hatten alles geteilt: Lachen, Ärger, Trauer, Anziehung. Jeder, der auch nur fünf Minuten im weitläufigen, chaotischen Haus der Lidges verbracht hatte, wusste, dass Big Jim und Nancy Lidge nicht die Hände voneinander lassen konnten. Harry hatte immer erwartet, irgendwann auch einmal eine solche Ehe zu führen. Wenn er Kates Schutzmauern nicht zum Einsturz bringen konnte, wären seine Chancen auf eine solche Ehe schon gescheitert, bevor er es überhaupt richtig versuchen konnte.
    Zuerst musste er jedoch für sich entscheiden, ob es einen Versuch wert war.
    Draußen schlug eine Kirchenglocke zur vollen Stunde. Vögel zwitscherten, bevor sie den Tag beenden und sich zurückziehen würden, und ein letztes Blumenmädchen warb mit melodiöser Stimme für ihre Veilchen. Das Licht schwand schnell, und Harry hatte noch einiges zu erledigen. Doch eine ganze Weile stand er einfach nur da, betrachtete die Frau, die er einst geliebt hatte, und fragte sich, was aus ihnen beiden werden würde.

Kapitel 10
    Kate hätte schwören können, dass es die Stimme gewesen war, die sie geweckt hatte.
    Sie werden uns niemals rauslassen …
    Sie sah sich um und rechnete beinahe damit, die Frau zu erblicken, der die Stimme gehörte, obwohl sie sie nur in der Anstalt gehört hatte. Aber es war niemand im Zimmer. Draußen war es vollkommen dunkel. Kates unbeirrbare innere Uhr sagte ihr, dass es drei Uhr morgens war. Die Geisterstunde war längst vorbei. Bivens musste sich hereingeschlichen haben, denn die Kerzen in den Leuchtern waren angezündet worden. Die Flammen warfen tanzende Schatten an die Wände. Fast wirkte es wie Sonnenlicht, das durch junge Bäume fiel. Zumindest wollte Kate es so sehen.
    Unter dem Fenster waren die Straßen leer, und alles war ruhig. Eine frische Brise blähte die Vorhänge. Normal. Alles war normal. Doch ihr Herz raste, und sie schmeckte den metallischen Geschmack von Angst auf ihrer Zunge. Sie hasste dieses hastige, abrupte Erwachen, wenn nichts sicher war. Wenn die Albträume noch immer eine Gestalt hatten, und der Morgen noch weit entfernt war. Sie wollte so gern die Augen schließen und sich ausruhen. Aber es war zu dunkel, um das zu können. Im Übrigen erinnerte sie sich an den Traum, der sie hatte aufschrecken lassen. Sie hatte die Stimme wiedererkannt, die sie quälte. Sie wusste, wem die Stimme gehörte. Es war nur eine Frage, daran zu glauben.
    Und eine Frage, es auch zu beweisen. Wenn sie darüber sprach, riskierte sie, wieder in den weißen, stillen Raum gesperrt zu werden.
    Ich weiß, dass es verrückt klingt, doch erinnerst du dich an Lady Riordan? Die nette junge Viscountess, die letztes Jahr im Solent ertrunken ist? Du kennst sie. Gerade erst hat die Trauerfeier in der St. George’s Cathedral für sie stattgefunden. Weinende Kinder, Unmengen von schwarzer Dekoration? Seltsam. Vor zwei Tagen saß sie in der Zelle neben meiner im Richmond Hills Asylum.
    Was noch schlimmer war: Lady Riordan hatte behauptet, die Frau eines Löwen zu sein, der sie weggesperrt hätte, um sie davon abzuhalten, seine Aktivitäten zu verraten.
    Lady Riordan. Gott, falls das der Wahrheit entsprach, dann hatte ihr eigener Ehemann sie wegsperren lassen und jedem erzählt, dass sie tot wäre – sogar den eigenen beiden Kindern. Kate hatte Lord Riordan getroffen. Anscheinend war er ein netter Mann gewesen. Nicht sehr aufregend, aber treu. War es tatsächlich möglich, dass er so verachtenswert war?
    Vielleicht irrte sie sich. Ihr Verstand war weiß Gott strapaziert. Beim bloßen Gedanken daran wurde ihr eiskalt. Doch wenn sie eine so absurde Vermutung an Harry herantrug, musste sie dahinterstehen und sie begründen. Sie musste sich wenn möglich an alles erinnern.
    Sie versuchte es wirklich und begab sich bewusst wieder zurück in die Schatten der grotesk charmanten Anstalt. Aber was sie auch versuchte, ihre Erinnerung ließ sich nicht greifen. Sie konnte Bilder einfangen, ein kurzes Aufblitzen von Verzweiflung. Zum Beispiel den viel zu festen Griff der Polizisten, als sie sie die Treppe hinauf in das harmlos wirkende, graue Landhaus geführt hatten. Die misstönende Symphonie von schlurfenden Schritten, klimpernden Schlüsseln

Weitere Kostenlose Bücher