Gefaehrliche Versuchung
betrachtete sie ihn näher und bemerkte bestürzt, dass ihr entgangen war, wie blass er war. »Das Einzige, was du zu erledigen hast, ist es, ins Bett zu gehen, Harry. Du siehst furchtbar aus. Welche Wunde macht dir zu schaffen?«
Er warf ihr ein schiefes Lächeln zu. »Waterloo. Ich habe ein paar Granatsplitter abbekommen, und manchmal überraschen mich die Schmerzen.«
Sie hatte Harry schon früher so erlebt, und es machte ihr Sorgen. »Du schläfst nicht.«
Er schüttelte den Kopf. »Mach dir keine Gedanken. Mir geht es gut. Sobald dieser Auftrag vorbei ist, werde ich nach Hause reisen, um mich von meiner Mutter aufpäppeln zu lassen.«
»Wird sie sich über deine Hochzeit mit Kate freuen?«
Harry hielt inne, als er diese Frage hörte. Er sah aus dem Fenster, als hätte er seine Familie auf der Straße entdeckt. »Ich weiß es nicht. Sie macht Kate für meine Karriere beim Militär verantwortlich.«
»Wird sie Kate auch dafür verantwortlich machen, wenn du wieder auf Reisen gehst? Ich nehme an, du hast es dir nicht anders überlegt.«
Zu reisen war Harrys Traum gewesen, seit sie ihn kannte. Sie bemerkte, dass Schuld wie eine neue Unsicherheit in seinen Augen aufblitzte. Trotzdem schüttelte er den Kopf. »Nein, das habe ich nicht.«
Wie als Reaktion darauf stand Bea unvermittelt auf. » Parlay «, sagte sie.
Harry starrte Bea an.
»Sie will mit dir reden«, übersetzte Grace. »Du kannst dich gern hinsetzen.«
Er warf Grace einen ungeduldigen Blick zu, gehorchte dann aber und half Bea, ebenfalls wieder Platz zu nehmen. Es dauerte einen Moment, bis Bea ihre Gedanken sortiert hatte.
»Porzellan«, sagte sie und hatte das Gesicht vor Anstrengung verzogen. »Feinstes … Porzellan.«
Grace spürte, wie ihr Herz dahinschmolz. Sie konnte die Verwirrung auf Harrys Gesicht erkennen. »Ich glaube«, sagte sie, »dass Lady Bea dir mitzuteilen versucht, dass Kate zerbrechlicher ist, als den meisten Menschen bewusst ist. Sie bittet dich darum, dich behutsam um sie zu kümmern.«
Harry wirkte verletzt. »Natürlich werde ich das tun.«
Bea neigte nur den Kopf und schürzte ungläubig die Lippen. Und Harry, den Grace schon bei Kavallerieangriffen beobachtet hatte oder dabei, wie er sich hinter feindliche Linien begeben hatte, um einen gefallenen Kameraden zu retten, zitterte vor dem stillen Zweifel der alten Dame.
Er beugte sich vor und legte seine Hand auf Beas. »Keine Frau hat durch meine Hand jemals leiden müssen«, versicherte er der alten Dame. »Lady Kate ist jetzt meine Frau. Ich kann Ihnen versprechen, dass wir uns streiten werden. Aber ich werde sie immer beschützen und nur ihr Bestes im Blick haben.«
Lady Bea nickte besorgt. »Queen Bess«, sagte sie. » Braucht … Königreich.«
Jetzt runzelte Grace verwirrt die Stirn. Sie war inzwischen sehr geschickt darin, Lady Bea zu verstehen. Diese Äußerung verstand sie jedoch nicht. Der arme Harry sah völlig verstört aus.
Lady Bea schnaubte und wies mit einer ungeduldigen Handbewegung auf den Raum. »Bereich.«
Aus irgendeinem Grund verstand sie nun. Grace sah vor ihrem inneren Auge wieder die Narben auf Kates Haut, sah die Schneise, die Kate durch eine abgestumpfte Gesellschaft zog, und die ruhige Hand, mit der sie die Bediensteten führte, die die meisten Damen der feinen Gesellschaft gemieden hätten.
»Ich glaube, Bea bittet dich, Kate ein bisschen Raum zu geben«, sagte Grace. Ihre Aufmerksamkeit war auf die besorgte alte Dame gerichtet. »Kates Ehe war … unglücklich.«
»Nach allem, was ich gesehen habe«, erwiderte Harry scharf, »würde ich sagen, dass diese Ehe ein totaler Albtraum war.«
Also hatte er auch das gesehen, was Grace auf Kates Haut erblickt hatte.
»Die Öffentlichkeit kennt nur ein Gesicht von Kate«, erklärte Grace nachdenklich. »Ihr seht die private Kate nicht. Ihr seht nicht, was sie sich aufgebaut hat. Der Duke of Murther hat jeden Penny aus Eastcourt abgeleitet. Kate hat aus dem Anwesen wieder etwas Besonderes gemacht. Sie hat jede Menge Ideen und Pläne, um ihren Leuten zu helfen, autark zu leben. Was ihre Dienerschaft betrifft, so hast du sie ja erlebt. Wer sonst würde diese Menschen einstellen? Aber sie würden ihr Leben für sie geben.«
»Also gut«, gab Harry zu. »Sie hat meinen Respekt verdient.«
»Doch du hast jetzt die völlige Kontrolle über sie, verstehst du nicht? Und so, wie ihr Leben bisher verlaufen ist, ist diese Situation für sie unerträglich.«
Er sah zwischen Grace und Bea hin und
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