Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gefaehrliche Versuchung

Gefaehrliche Versuchung

Titel: Gefaehrliche Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer
Vom Netzwerk:
Hüften, und sie wollte ihn nicht stören.
    Es gelang ihr, sich abzuwenden. Doch dann erblickte sie noch etwas anderes, und wieder hielt sie inne. Und dieses Mal gab es keinen Zweifel über ihre Reaktion. Sie war entsetzt. Angewidert. Und seltsam verängstigt.
    Narben. Nicht nur eine, sondern ein Dutzend davon, verteilt auf Harrys Körper wie eine Landkarte seiner Soldatenlaufbahn. Eine lange, aufgeworfene Narbe auf seiner rechten Schulter. Eine Gruppe von kleinen Dellen und Ausbuchtungen von Granatsplittern, wie Kate vermutete, in seiner Brust. Ein Einschuss im Oberschenkel und eine Brandwunde an seinem Unterarm. Grundgütiger , dachte sie, und mit einem Mal fröstelte sie in der kühlen Nachtluft. Wie hatte er das überlebt? Sie hatte geholfen, die Verwundeten von Waterloo zu versorgen, und wusste, was diese Wunden für ihn bedeuteten.
    Wie seltsam, dachte sie und war erschüttert vom Anblick dieser Narben. Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, wie Harrys Leben in den vergangenen zehn Jahren ausgesehen haben mochte. Sie wusste, dass er aus Moorhaven geflohen war – das hatte ihr genügt. Wie auch immer sein Leben ausgesehen haben mochte, er hatte es besser getroffen als sie. Aber als sie hier zusammen mit ihm die Dunkelheit teilte, war sie sich nicht mehr so sicher. Das berührte sie tief.
    Als sollte sie daran erinnert werden, dass nicht alle Narben körperlich waren, fing er wieder an, sich zu bewegen. Er öffnete und schloss die Fäuste, zuckte mit den Beinen. »Kommt schon, Vorhut, kommt schon, Männer. Hoch mit euch!«
    Vorhut? Wollte er damit sagen, dass er ein Himmelfahrtskommando angeführt hatte? Nein. Das konnte nicht sein. Beim bloßen Gedanken daran stockte ihr der Atem. Wie hatte er so verzweifelt sein können, sich als Freiwilliger zu melden? Wie hatte er sich für den sicheren Tod entscheiden und die erste Gruppe Männer über die Mauern einer belagerten Stadt führen können? Wie hatte er das überlebt?
    Ein Stöhnen, der Mund offen, das Gesicht angespannt, die Hand ausgestreckt. Sie konnte sich nicht zurückhalten. Sie eilte zu ihm und ergriff seine Hand. »Nein, Harry, es ist gut. Ihr habt es geschafft. Die Vorhut ist oben.«
    Gott, was machte sie da? Das ging sie nichts an. Sie sollte nicht in Harrys Schlafzimmer und ganz sicher nicht in seinen Albträumen sein.
    »Nein … nein, sie sind noch unten. Sie sind unten!«
    »Bewegt euch«, drängte sie ihn, wie sie es von ihm gehört hatte. »Geht weiter; ihr werdet es schaffen.«
    Sie konnte spüren, wie er den Angriff noch einmal durchlebte. Seine Muskeln zuckten, sein Atem ging stoßweise.
    »Es ist vorbei«, murmelte sie und streckte den Arm aus, um mit den Fingerspitzen sacht über seine Stirn zu streicheln. »Siehst du, Harry, die Armee folgt euch. Es ist jetzt Zeit, dich auszuruhen.«
    Er hielt immer noch ihre Hand so fest, dass sie fürchtete, ihre Finger würden brechen. Doch der Rest von ihm entspannte sich. Kate atmete erleichtert durch. Vielleicht würde er jetzt schlafen.
    Ach Harry , dachte sie. Ein ungewohnter Stich traf ihr Herz, als sie in dieses Gesicht sah, das sie einmal so sehr geliebt hatte. Ich habe selbst genug Albträume, mit denen ich fertig werden muss. Ich will nicht auch noch deine.
    Und dennoch hatte das Schicksal triumphiert und genau das getan. Denn egal, wie sie weitermachen wollten: Sie war für den Rest ihres Lebens an diesen Mann gebunden. An diesen Mann, der sie verraten hatte, sodass sie ihn noch immer nicht ansehen konnte, ohne Rachegelüste zu verspüren. An diesen Mann, der sein Leben riskierte, um ihres zu retten, auch wenn er sie nicht ausstehen konnte.
    Ihre Ehe zwang sie dazu, sich auf einen Mann zu verlassen, der gesagt hatte, dass er es kaum erwarten könne, endlich zu verschwinden. Zum Teufel mit ihm. Zum Teufel mit all denen, die ihnen das angetan hatten. Sie war so glücklich gewesen … nun ja, zufrieden. Ja. Zufrieden. Nur sie und Bea und die Leute von Eastcourt Hall, wo sie tatsächlich etwas bewirkte. Zum ersten Mal in ihrem Leben war sie frei gewesen. Sie hatte das Leben gelebt, wie sie es sich vorgestellt hatte – ohne männliche Einmischung, Bevormundung oder Geringschätzung. Und innerhalb von ein paar Tagen, von ein paar Stunden war das alles zerstört.
    Behutsam versuchte sie, sich aus Harrys Griff zu lösen, aber er schien nicht loslassen zu wollen. Sie sah sich um und suchte nach einem Ausweg, nach Hilfe. Alles, was sie sah, war Harrys Koffer, der am Ende des Bettes stand, und

Weitere Kostenlose Bücher