Wer fuerchtet sich vor Stephen King
„Die meisten [meiner Romane]sind einfache Erzählungen für einfache Leute, das literarische Äquivalent eines Big Mac mit einer großen Portion Pommes frites von McDonald’s. Ich kann elegante Prosa erkennen und spreche darauf an, aber ich habe es schwierig oder unmöglich gefunden, sie selbst zu schreiben.“
Stephen King in seinem Nachwort zu FRÜHLING, SOMMER, HERBST und TOD
Seine Bücher tauchen mit schönster Regelmäßigkeit in den Bestsellerlisten auf. Seine Buchverträge stießen immer wieder in ungeahnte Rekordbereiche vor, bis er schließlich neue, umsatzorientierte Modelle entwickelte, die die Verlagsbranche revolutionierten. Die Zeitschrift TVMovie unterstellte ihm schon vor 20 Jahren, „zu einer Ein-Mann-Fabrik geworden [zu sein], die jährlich 100 Millionen Dollar abwirft“. Über ihn sind mehr Bücher geschrieben worden, als er selbst Bücher geschrieben hat. Fast jeder kennt, fast jeder liest ihn.
Und doch ist die Frage, die dieses Buch stellt – WER FÜRCHTET SICH VOR STEPHEN KING? – berechtigter denn je. Fast jeder, der ihn liest, verspürt bei der Lektüre seiner Bücher auch ein gewisses Unbehagen, ja sogar Angst. Die Angst ist sein Thema, und er vermittelt sie mitunter brillant. „Furcht macht uns blind, und wir nähern uns unseren Ängsten mit all der typischen Neugier des Selbstinteresses, indem wir versuchen, aus den Hunderten verschiedenen Ängsten auf das Ganze, die eine große Angst, zu schließen“, schreibt Stephen King in der Einführung zu seinem Buch NACHTSCHICHT. Und diese eine große Angst erkundet er, dieser und allen anderen Ängsten gilt sein Interesse. Nicht die Ungeheuer, die seine Bücher bevölkern, faszinieren seine Leser dermaßen; sie sind nur äußerer Ausdruck der inneren Ängste, die jeder seiner Leser in sich selbst findet. Dieser Umstand erklärt den großen Erfolg des Schriftstellers Stephen King.
Dabei hat sich das Bild des Autors nicht nur in der Öffentlichkeit, sondern auch bei der Literaturkritik im Lauf der Jahre stark gewandelt. Anfangs verwahrte sich King dagegen, Literat zu sein; die Rolle des „Mannes aus dem Volk“ war ihm wesentlich lieber. „Die meisten [meiner Romane] sind einfache Erzählungen für einfache Leute, das literarische Äquivalent eines Big Mac mit einer großen Portion Pommes frites von McDonald’s“, beschrieb er sein Werk mit der Gelassenheit eines Menschen, der es wirklich geschafft hatte. Vielleicht liegt gerade darin das Geheimnis seines wahrhaft ungeheuerlichen und unglaublichen Erfolges – denn der ist unbestritten.
Seit 1991 steht fest, dass King der beliebteste Schriftsteller der USA ist und von den Amerikanern auch für den größten lebenden Schriftsteller gehalten wird. Das Institut Gallup führte eine Umfrage durch, bei der als bekanntester Autor zwar Mark Twain ermittelt wurde; doch was die Beliebtheit bei seinen Lesern betraf, landete King an erster Stelle, gefolgt von Danielle Steel, Louis L’Amour und Sidney Sheldon. King lag auch bei der Wahl des besten noch lebenden Schriftstellers an erster Stelle, gefolgt von Danielle Steele und James Michener. All die anderen Namen mögen beträchtlich an Bedeutung verloren haben, doch Stephen King steht auch zwanzig Jahre später noch unangefochten an der Spitze: Kings heutiges persönliches Jahreseinkommen wird auf 30 Millionen Euro geschätzt, und die Gesamtauflage seiner Romane beträgt weltweit etwa 400 bis 500 Millionen Exemplare, womit er auf Platz 5 der ewigen Bestsellerliste steht, nach „Harry Potter“, der Bibel, dem Koran und „Pu der Bär“.
Die Leserschaft ist King über all die Jahrzehnte treu geblieben, doch die Literaturkritik nimmt ihn heute anders wahr. Als King 1996 den „O. Henry Award“ für die beste Kurzgeschichte des Jahres und 2003 dann sogar die „Medal for Distinguished Contribution to American Letters“ der National Book Foundation erhielt, kam es zu einem Sturm im Wasserglas. Heutzutage stellt SPIEGEL online zum Erscheinen eines neuen Romans des Autors fast beiläufig fest, dass „King längst nicht mehr das literarische Pendant zu einem Big Mac mit Pommes serviert, wie er selbst es einst ausdrückte, sondern ein All-You-Can-Eat-Angebot“ (25.11.2009), und die taz tritt auf ihrer Internet-Seite (8.1.2010) sogar unaufgefordert zur Ehrenrettung des Schriftstellers an: „Dass Stephen King ein guter Autor ist, weiß das Feuilleton inzwischen. Vom Hochkulturverteidiger Burkhard Müller erntet er ebenso Lob wie vom Genre-Kenner
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