Gefährlicher Sommer
Horizont.
Wie schön es hier ist, dachte Pat, und wie glücklich ich hier bin!
Sie lehnte am Zaun einer Weide und sah ihrer Stute Fairytale zu, die sie, wie im vergangenen Jahr, in einem Transporter mitgebracht hatte. Fairytales Fell glänzte wie eine reife rote Kastanie in der Sonne. Das Pferd hob den Kopf und wieherte lange und fröhlich. Neben Pat lag ihr Hund Tobi. Tobi war ein Mischling undefinierbarer Abstammung; ein Tierarzt hatte einmal gemeint, zumindest einen Berner Sennenhund und einen Collie in ihm zu erkennen, im Laufe der Generationen könnten sich jedoch auch noch eine Menge anderer Rassen hineingemischt haben, hatte er behauptet. Auf jeden Fall war Tobi fast so groß wie ein junges Kalb, hatte zotteliges graues, schwarzes und braunes Fell und riesige weiße Pfoten. Er und Pat hingen wie die Kletten aneinander. Er war ein kleines Hundebaby gewesen, als sie ihn kennengelernt hatte, er hatte gerade seine ersten tapsigen Schritte gemacht, und Pat hatte ihn von der ersten Sekunde an geliebt. Es ging ihm damals nicht gut: Seine Besitzer misshandelten ihn und hielten ihn angekettet. Bei Nacht und Nebel hatte Pat versucht, ihn zu befreien, und war dabei Hals über Kopf in eine gefährliche Geschichte hineingeraten, hatte schließlich sogar mit ihren Freunden zusammen eine ganze Einbrecherbande gestellt. Tobi war dann für immer bei ihr geblieben.
Sie lächelte in der Erinnerung daran und wandte sich um, als sie Schritte hörte. Zwei blonde Mädchen kamen über die Wiese. Pat winkte ihnen zu. »Hallo, Angie! Hallo, Diane!«
Die Schwestern traten heran. Sie und Pat waren vor einem Jahr zum ersten Mal als Gäste auf der Eulenburg gewesen. Gemeinsam mit Tom und mit Chris, dessen Eltern in der Nähe eine Pension hatten und der Toms bester Freund war, hatten sie damals das Geheimnis um die Einbrecher gelöst. Im Winter waren sie dann erneut auf dem Reiterhof zusammengekommen. Alles war tief verschneit gewesen, den Pferden war weißer Atem aus den Nüstern gequollen, wenn sie mit ihnen durch den Schnee galoppierten. Und wieder hatten sich erstaunliche Dinge ereignet, um einen legendären Schatz war es gegangen, und die Leute, die ihn finden wollten, schreckten vor keinem Mittel zurück, um in den Besitz der vermeintlich unermesslichen Reichtümer zu kommen.
»Weißt du was Neues von Tom?«, fragte Angie.
Pat schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wollte euch gerade dasselbe fragen.«
»Es darf immer noch niemand zu ihm«, sagte Diane. »Frau Andresen sieht aus, als sei es etwas Ernstes, sie läuft mit einem wahnsinnig besorgten Gesicht herum. Angeblich hat Kathrin sich nun auch krank gemeldet!«
»Ach nee!« Pat grinste böse. »Wenn ihr mich fragt, sie will sich nur um die Reitstunde drücken, wie üblich!«
Kathrin war nicht besonders beliebt. Aber jetzt schüttelte Diane den Kopf. »Ich habe sie gesehen. Sie scheint wirklich Fieber zu haben. Außerdem haben noch drei andere über Übelkeit geklagt.«
»So ein Mist«, meinte Pat bedrückt. »Wenn hier irgendeine Krankheit ausgebrochen ist - dann gute Nacht! Am Ende schicken sie uns alle wieder nach Hause.«
»So weit wird es hoffentlich nicht kommen!«, sagte Angie erschrocken.
Die drei Mädchen beobachteten noch eine Weile die Pferde, dann machten sie sich auf den Weg zur Reitstunde. Auf dem Hof sahen sie ein fremdes Auto stehen.
»Der Arzt«, sagte Diane.
Auf einmal hatten sie alle das Gefühl, dass die Dinge nicht so harmlos lagen, wie sie gedacht hatten.
»Tja«, sagte der Arzt und sah Frau Andresen bedeutungsvoll an, »das ist eine ernste Sache. Ihr Sohn hat Scharlach.«
»Was?«
»Das gibt's doch nicht«, sagte Tom matt.
»Doch, mein Junge. Leider. Es besteht überhaupt kein Zweifel. Du wirst jetzt ungefähr drei Wochen im Bett liegen müssen.«
»Es sind Ferien!«
»Darum kümmern sich Krankheiten nicht«, sagte der Arzt schulmeisterhaft. Dann wandte er sich an Frau Andresen. »Ich würde gerne die drei anderen Kinder, die sich krank gemeldet haben, auch noch untersuchen. Ich fürchte allerdings, ich werde das Gleiche feststellen.«
Frau Andresen war ganz blass geworden. »Das ist natürlich eine ziemliche Katastrophe, Doktor. Ich werde alle Feriengäste nach Hause schicken müssen.«
»Das ist dringend notwendig, ja. Sonst haben Sie in einer Woche hier das reinste Lazarett.«
Wie vorausgesehen hatten sowohl Kathrin als auch die drei anderen ebenfalls Scharlach. Bis zum Abend kam noch ein Mädchen aus der Küche hinzu. Sie stellte sich
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