Gefangene des Meeres
sich vergegenwärtigen, Kapitän, daß dieses Schiff über alle nötigen medizinischen und chirurgischen Einrichtungen verfügt. Schließlich stellt die Flotte den Teil eines Kolonisationsprojekts dar, und darum hat man den gynäkologischen Problemen von Anfang an besondere Aufmerksamkeit zugewandt.«
»Ich weiß«, sagte Deslann tonlos.
»Dann ist da noch die Tatsache zu bedenken«, fuhr Hellahar fort, »die ich nicht erwähnen würde, wenn ich eine bescheidene Person wäre, nämlich, daß ich ein ungewöhnlich fähiger Heiler bin. Sie müssen sich erinnern, daß dies ein zwar schmerzhafter, aber völlig natürlicher Prozeß ist, bei dem die Gefahr für Mutter und Kind minimal ist.«
»Auch das weiß ich«, sagte Deslann. »Es gibt keine logischen Gründe für meine Sorgen. Der Prozeß geht seit Millionen Jahren vor sich. Meine Besorgnisse sind unbegründet. Aber nehmen wir einmal an, es wäre Ihr Kind, das da zur Welt kommen soll; was dann?«
»Wenn die Zeit kommt«, erwiderte der Heiler bedächtig, »werde ich es zu schätzen wissen, wenn Sie mir alles das sagten, was ich Ihnen jetzt sage, und wenn Sie sich genauso viel Mühe gäben, mich zu überzeugen …«
*
An Bord der »Gulf Trader« gab es Wissen und Erfahrung, aber die medizinischen Hilfsmittel waren praktisch nichtexistent. Es gab nicht einmal eine ausreichende Menge warmen Wassers. Was verfügbar war, wärmte Wallis mit einem Schweißbrenner. Aber die meiste Zeit arbeitete er am Generator. Und nicht nur er; mit Ausnahme des Arztes und der werdenden Mutter strampelten sie alle länger und heftiger auf dem improvisierten Fahrradsitz, als sie es je zuvor getan hatten. Sie brauchten das Licht.
Es war eine lange und schwere Niederkunft, bekannte Radford später, doch während der Geburt erklärte er Jenny und allen, die es hören wollten, unter zahllosen Flüchen, daß alles in jeder Hinsicht normal verliefe. Aber ihre Sorgen waren noch nicht vorbei, als das Baby endlich da war und mit leichten Schlägen aufs Hinterteil zu lautem Klagegeschrei ermuntert wurde. In der eigens angefertigten Krippe, die mit Warmwasserflaschen erwärmt und darüberhinaus von Wallis beheizt wurde, der den Decken mit seinem Azetylenbrenner Wärme zufächelte (wobei er sie stellenweise fast versengte), wurde das Kind blau im Gesicht und mußte mit Sauerstoff versorgt werden. Und als es sich erholt hatte, brauchte seine Mutter ebenfalls Sauerstoff.
Sie erholte sich langsam, und in der ersten Nacht schliefen Dickson und Margaret neben Jenny, um sie besser wärmen zu können. Es geschah auf Vorschlag des Arztes, und wenn Dickson daran dachte, Witze darüber zu reißen, daß er gleichzeitig mit zwei Frauen schlief, so behielt er sie diesmal für sich.
Wallis und der Arzt saßen fröstelnd in einer anderen Ecke des Raumes unter ihren Decken, und Wallis versuchte Radford im Namen der anderen zu danken. Aber er war so ausgekühlt und von den Ereignissen mitgenommen, daß er seine Sache nicht sehr gut machte.
»Sie waren großartig, Doktor«, sagte er verlegen. »Ich – ich war erstaunt, wie … was für eine Manscherei das war. Ich hatte keine Ahnung …«
»Natürlich nicht«, sagte Radford. »Das erwartet auch niemand. Aber ich wüßte eine Aufgabe für Sie. Ihre Frau hat diese Anzüge entworfen, und sie sind sehr gut. Vielleicht regen Sie einmal an, daß sie sich über Känguruhs Gedanken macht, ich meine, über Tragbeutel. Hier ist es zu verdammt kalt, um ein Kleinkind herumliegen zu lassen. Jenny sollte es bei sich tragen, und zwar vorn, nicht auf dem Rücken. Wegen der Ernährung, verstehen Sie, und weil es wärmer ist. Ihre Frau wird diese Erfindung bald selber gebrauchen können. Hat es in Ihrer Familie einmal Zwillinge gegeben?«
»Nein«, sagte Wallis, »aber …«
»Machen Sie sich keine Gedanken«, unterbrach Radford. »Dies war eine schwierige Geburt, selbst in einer Klinik hätten sie damit ihre Mühe gehabt. Bei Ihrem Kind wird es viel einfacher sein.«
»Sie hören sich an«, sagte Wallis, »als freuten Sie sich schon darauf.«
Radford schwieg eine Weile. »Den Eindruck wollte ich nicht erwecken, Wallis. Als Arzt gewöhnt man sich diese zuversichtliche Art im Umgang mit den Patienten an. Aber was ich sagte, ist wahr. Ihre Frau müßte wirklich außerordentliches Pech haben, wenn es ihr genauso ergehen sollte wie Jenny. Das sage ich auf Grund meiner Untersuchungen, nicht um einen besorgten zukünftigen Vater zu beruhigen. Und in jedem Fall werde ich
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