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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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darüber nachdachte.
    Doch es war schwierig, nicht an diese Dinge zu denken. Um ihn herum war Stille, und er mußte angestrengt lauschen, um die seufzenden und gurgelnden Geräusche der See zu hören, die gegen die Bordwände drückte. Das gleichmäßige Atmen des Arztes neben ihm und das leise, unterbrochene Murmeln und Ächzen Miß Murrays, die offenbar wieder unter schlimmen Träumen litt, verstärkte nur den Eindruck der Stille. Wallis begann angenehm schläfrig zu werden. Wenn er an etwas Angenehmes oder wenigstens Konstruktives dächte, sagte er sich, würde er bald einschlafen können.
    Ihre Lage ähnelte in mancher Hinsicht der von Schiffbrüchigen in einem offenen Boot. Ein Rettungsboot ist mit Lebensmitteln und Wasser versehen, aber die Insassen frieren und werden schläfrig und sterben, wenn sie ihre Muskeln nicht betätigen und wach bleiben können. An Bord der »Gulf Trader« waren es nicht so sehr ihre Muskeln als vielmehr ihre Gehirne, die eine Betätigung finden mußten, wenn sie weiterhin überleben wollten. Was die Art dieser Betätigung anging, so konnte sie, ebenso wie die körperlichen Übungen im hypothetischen Rettungsboot, an sich völlig sinnlos sein. Drauf kam es nicht an.
    Wallis dachte an Ratespiele und andere Dinge, die eher in eine Kindergesellschaft paßten als in die dunklen und kalten Räume eines gesunkenen Schiffes, und schließlich schlummerte er ein …
     
    *
     
    Unbestimmte Zeit später wurde Wallis von Miß Murrays Weinen geweckt. Es war kein lautes Geräusch, nur das leise Schluchzen und Schnupfen eines Menschen, der vergeblich versucht, die anderen nicht zu stören. Miß Murray störte andere Leute nicht gern, und gewöhnlich blieb jeder still und tat, als schliefe er, damit sie sich außer ihrem Kummer nicht auch noch Vorwürfe machte. Heute nacht jedoch weinte sie so leise, daß die anderen noch nicht aufgewacht zu sein schienen, und Wallis hatte nicht einmal den Trost, daß auch sie um ihren Schlaf gebracht waren. Das Geräusch dauerte an, und wenn es so lange verstummte, daß er zu hoffen wagte, sie sei endlich eingeschlafen, fing es im nächsten Augenblick wieder an.
    Nachdem er, wie es ihm schien, Stunden wachgelegen und zugehört hatte, hielt Wallis es nicht länger aus. Behutsam, um keine Kälte hereinzulassen, schob er sich unter den Säcken hervor und setzte sich im Dunkeln auf.
    Er hatte keine Ahnung, was er sagen oder tun sollte, um sie zu beruhigen, aber er mußte dieses furchtbare Geräusch zum Verstummen bringen, bevor es ihn um den Verstand brachte. Vielleicht genügten ein paar ruhige, begütigende Worte, ein aufmunternder Klaps auf die Schulter oder eine freundliche Erinnerung, daß sie ihren Schlaf brauche wie sie alle Schlaf brauchten. Andererseits befand sie sich in einem hochgradig nervösen Zustand, und wenn er sich ihr näherte, könnte sie zu falschen Schlüssen kommen und zu kreischen anfangen. Aber als er die Taschenlampe einschaltete, sah er sie wach auf ihrem Lager sitzen und zittern. Sie hatte die Arme vor der Brust verschränkt und ließ den Kopf hängen, daß ihre Züge nicht zu erkennen waren. Ihr Atem dampfte.
    Wallis tappte hinüber und schüttelte sie sanft. Er mußte es noch einmal tun, bevor sie reagierte. Dann sagte sie: »Mir ist kalt.«
    Wallis kamen mehrere ärgerliche und ungeduldige Antworten in den Sinn, wie etwa, daß sie alle unter der Kälte litten und was sie anderes erwarte, wenn sie auf ihren Decken sitze, statt darunter zu liegen. Sie hatte alle Decken der Krankenstation bekommen, als Jenny Wellman ihr gemeinsames Lager aufgegeben hatte und zu Dickson gezogen war, und diese Decken waren viel wärmer als die Säcke, mit denen sich alle anderen bescheiden mußten. Aber Wallis schluckte seinen Unmut hinunter und sagte: »Ich wollte den Wasserstand im Zwischenschott kontrollieren. Vielleicht würde ein Spaziergang nach achtern uns beide aufwärmen …«
    Sie gingen durch die alte Krankenstation und kamen zu Tank zwölf. Die Luft war so, daß sie beide nach Atem rangen. Wallis sagte ärgerlich: »Die Luft ist durchaus nicht schlecht. Wenn wir an Erstickung sterben, wird es rein psychologische Gründe haben.«
    Sie lächelte.
    Nachdem sie das Zwischenschott abgeklopft hatten und oft genug die Leiter hinauf und herunter geklettert waren, um einigermaßen warm zu werden, kehrten sie um. In der Krankenstation zeigte Wallis auf Dicksons Bahre, hängte die Laterne an ein Rohr und setzte sich nicht zu nahe neben sie.
    Nach mehreren

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