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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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von den Psychologen aufgestellten Grundregel zu würdigen, die jeden Kontakt zwischen den Ko-Kapitänen eines Schiffes untersagte. Wäre es anders gewesen und hätte er Gelegenheit gehabt, seinen Kollegen für einige Minuten von Angesicht zu Angesicht zu sprechen, wußte Deslann, daß er die ganze verfügbare Zeit damit verbracht hätte, seinem Ko-Kapitän klarzumachen, was er von ihm hielt.
    Kapitän Gunt hatte ihm ein Problem hinterlassen, und je mehr er darüber las, desto schwerwiegender und schlimmer wurde es.
     

3
     
    Als die »Gulf Trader« vom ersten Torpedo getroffen wurde, stand Wallis auf der Eisenleiter, die den Pumpenraum achtern mit dem Tank Nummer zwölf verband. Mit einer Hand hielt er sich an der obersten Sprosse fest, während die andere das Handrad der wasserdichten Luke über seinem Kopf zudrehte. Er tat dies, weil es zu den Dienstvorschriften der Kriegsmarine gehörte, wasserdichte Türen und Durchstiegsluken zu schließen, wenn ein Schiff unter Feindbedrohung lief. Außerdem tat er es, weil der Boden des Pumpenraums in einer Ebene mit dem Wetterdeck lag und eine Menge eingedrungenes Seewasser zwischen den Stahlblechwänden schwappte. Wenn die Verletzten an den Fuß der Leiter getragen würden, sollten sie nicht bei jeder Schlingerbewegung des Schiffskörpers von einem Wasserfall durchnäßt werden. Es würde schon schwierig genug sein, die Patienten mit ihren Bahren über die Eisenleiter hinauf in den Pumpenraum zu schaffen.
    Der erste Treffer klang wie ein ferner, mißtönender Gong, deutlich hörbar, aber nur als leises Zittern und Vibrieren im Metall der Leiter zu spüren. Doch als der zweite Torpedo im Maschinenraum detonierte, der nur dreißig Meter hinter seinem Standort lag, traf ihn das Geräusch wie ein Schlag, und die Leiter schien von ihm wegzuspringen. Im Fallen rutschte sein rechtes Bein zwischen zwei Sprossen durch, und instinktiv hakte er es über die untere Sprosse, daß sie fest in seiner Kniekehle saß. Als Ergebnis beschrieb sein Kopf einen weiten Bogen abwärts, wo er hart gegen eine der unteren Sprossen schlug. Den Rest des Falles legte Wallis bewußtlos zurück. Er merkte nicht, daß sein linker Arm in die Sprossen geriet und ihn wieder herumriß, so daß er sieben Meter tiefer mit den Füßen zuerst auf den Boden des Tanks prallte. Dank seiner Ohnmacht war er so entspannt, daß er sich keine Knochen brach.
    Er kam mit starken Schmerzen im Hinterkopf zu sich. Ein anderer, stechender und weitaus unangenehmerer Schmerz traf seine beiden Gesichtshälften. Als er die Augen öffnete, tauchten Leutnant Radfords Züge aus den kreisenden Nebeln auf, und ein paar Sekunden später merkte er, daß der Arzt ihn heftig und rasch mit beiden Händen ohrfeigte. Wallis war so schockiert, daß weitere Sekunden vergingen, bevor er sprechen konnte.
    »In-Insubordination!« brachte er schließlich hervor.
    »Wiederbelebung«, sagte Radford. »Sie sind zwanzig Minuten besinnungslos gewesen, Sir. Wir sind torpediert worden, einmal achtern und einmal im Bug, glaube ich. Nach der großen Detonation hörten wir ein paar dumpfe Explosionen, wahrscheinlich von den Kesseln. Ich sage Ihnen das, falls Sie noch ein bißchen benommen sein sollten, denn Sie werden es bereits wissen. Können Sie aufstehen?«
    »Ja«, murmelte Wallis. Mit der Hilfe des Arztes auf der einen und der Leiter auf der anderen Seite zog er sich in die Höhe. Während er das tat, hielt er die Augen fest geschlossen und fragte sich, ob sein Kopf in der Mitte gespalten sei. Als er sich etwas erholt hatte und sich konzentrieren konnte, hörte er den Arzt sagen: »… diesem Seegang schwer zu sagen, wie das Schiff liegt, aber ich glaube, das Heck ist abgesackt.« Radfords Stimme bebte leicht, aber er hatte sich unter Kontrolle. »Ich wollte die Luke zum Pumpenraum öffnen, aber der Wasserdruck von oben ist so stark, daß sie wie zugeschweißt festsitzt. Hier kommen wir jedenfalls nicht hinaus, und ich kenne mich in diesen verdammten Tanks nicht aus. Ich habe keine Ahnung, wie es hinter der Krankenstation in Tank elf aussieht. Gibt es einen anderen Ausstieg?«
    Das Bild des Geschehenen wurde Wallis allmählich deutlich, aber irgendwie fühlte er nichts von jener wilden und unkontrollierbaren Panik, die er in einer solchen Lage zu fühlen erwartet hatte. Vielleicht war er einfach zu müde, oder noch zu benommen.
    »Mittschiffs«, antwortete er mechanisch. »Tank fünf, backbord … nein, da kommen wir auch nicht durch …«
    Während

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