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Gefangene des Meeres

Gefangene des Meeres

Titel: Gefangene des Meeres Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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daß keine unmittelbare Gefahr besteht, Sir«, sagte Radford endlich, »werde ich zu meinen Patienten zurückkehren.«
    Wallis nickte. »Ich komme nach. Jetzt möchte ich mich noch ein wenig umsehen.«
    Aber als der Arzt mit seiner Lampe in Tank drei verschwunden war, rührte sich Wallis lange Zeit nicht von der Stelle. Die Maske ruhiger Selbstsicherheit fiel, und er zitterte am ganzen Leib.
     

4
     
    Jemand hatte die Mädchen auf ein Rettungsfloß gebunden, als ihr Schiff gesunken war. Derselbe Mann hatte sich möglicherweise gleichfalls auf das Floß gerettet, konnte sich selbst aber nicht so gut festzurren und war heruntergespült worden. Vielleicht hatten ihn auch die Kräfte verlassen, oder er hatte nicht auf dem Floß bleiben wollen, als es in den brennenden Ölfleck trieb. Aber jemand hatte mitten im Chaos der Flammen, der Explosionen und des kochenden Dampfes aus zerfetzten Kesselrohren den Kopf behalten und wertvolle Minuten geopfert, um zwei Mädchen das Leben zu retten. Wenig war über diesen Mann bekannt, außer daß er ein indischer Matrose mit schlimmen Brandwunden im Gesicht gewesen war. Das dunkelhaarige Mädchen hatte diese Geschichte während ihres Deliriums mehrere Male gestammelt, obgleich es dem Arzt nicht gelungen war, ihr den eigenen Namen zu entlocken. Das dunkelblonde Mädchen hatte überhaupt noch nicht gesprochen.
    »Wir müssen ganz ruhig bleiben«, sagte Wallis mit einem Blick auf die beiden dick bandagierten Gestalten. »Diese Sache muß ihnen überaus schonend beigebracht werden, sonst…« Er sah Radford vielsagend an. »Die Ärmsten haben allerhand durchgemacht.«
    Radford nickte schweigend.
    Von seiner Bahre sagte Erster Offizier Dickson: »Ich könnte sowieso nicht laut sprechen, und wenn Sie mich dafür bezahlten.« Sein Kopf war bandagiert, sein linker Arm geschient und seine gebrochenen Rippen mit einem Klebeverband fest umwickelt.
    Nach aller Wahrscheinlichkeit war es der Nachmittag des Tages ihrer Torpedierung, obwohl sie es nicht genau wußten. Der Arzt hatte seine Armbanduhr beim öffnen einer der wasserdichten Türen zerschlagen, und nun gab es keine Möglichkeit, die Zeit abzulesen. Immerhin war genug Zeit verflossen, daß die anfängliche panische Angst aufgehört hatte. Panik, so schien es, war eine extrem heftige und kurzlebige Emotion. Wurde sie nicht binnen kurzem vom Tod oder irgendeiner Form der Erleichterung abgelöst, degenerierte sie rasch zu gewöhnlicher Angst. Und als ihre Umgebung unverändert blieb, keine bedrohlichen Entwicklungen eintraten, alle Schotten dicht blieben und das Verhalten des Schiffes auf eine gewisse Stabilität schließen ließ, begann sogar ihre Angst zu schwinden.
    Wallis hatte eine lange Zeit in den verschiedenen Tanks verbracht, wo er zwischen der Ladung und den Ausrüstungsgegenständen herumgesucht hatte, ohne recht zu wissen, was er wollte. Und bei der Durchsuchung von Tank neun hatte er Stimmen aus der Krankenstation vernommen, war hingegangen und hatte gefunden, daß Dickson zu sich gekommen war und wissen wollte, warum die Maschinen nicht liefen. Radford und er hatten mit dem Verletzten gesprochen und auf ihn eingeredet, bis auch seine anfängliche Panik zur Angst und diese wiederum zu einer nagenden Unruhe, einer besorgten Furcht geworden war – jenem Geisteszustand, dachte Wallis, in den einer verfallen kann, dem die Ärzte nur noch eine kurze Zeit zu leben einräumen.
    Später hatten sie einen Kanister mit Trockenei geöffnet und über einer Lötlampe Tee gekocht. Weil sie alle sehr müde waren und es keinen Grund zum Wachbleiben gab, legten sie sich nach der Mahlzeit schlafen. Die Tatsache ihres Schlafens verschaffte ihnen nach dem Erwachen die innere Gewißheit, daß ein neuer Tag angebrochen sei. Zugleich aber sahen sie sich mit der Notwendigkeit konfrontiert, über die Zukunft zu sprechen, eine Zukunft, die Stunden und vielleicht Tage, bestenfalls Wochen umfaßte.
    »Wir müssen uns damit abfinden«, sagte Wallis gefaßt, »daß wir uns in einer gefährlichen, aber nicht hoffnungslosen Lage befinden. Nach den Bewegungen des Schiffes zu urteilen, treiben wir unter Wasser oder halb untergetaucht. Entweder ist die See über uns rauh und wir befinden uns ein Stück unter der Oberfläche, oder sie ist ruhig und wir treiben oben, so daß man die Aufbauten noch sehen kann. Entscheidend ist jedoch, daß wir einen Tag nach der Torpedierung noch Seegang spüren, also nicht sinken.«
    Wenigstens, sagte er sich, nicht sehr rasch

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