Gegen alle Feinde - Clancy, T: Gegen alle Feinde - Against All Enemies
Schwimmtraining absol viert hatten. Trotzdem waren 5 Kilometer auf offener See eine entsetzlich lange Strecke, vor allem wenn man sie mit Verletzungen zurücklegen musste. Deshalb durften sie ihn auf keinen Fall aus den Augen verlieren.
In seinem Schwimmarm und seinen Beinen sammelte sich immer mehr Milchsäure an. Der Muskelkater wurde von Meter zu Meter schlimmer. Er schraubte seine Geschwindigkeit etwas zurück und schüttelte die Beine und den überbeanspruchten Arm, atmete noch einmal tief durch und befahl sich selbst: Ich werde nicht aufgeben. Niemals.
Von nun an konzentrierte er sich auf diesen Gedanken. Er würde seine Gruppe anführen und alle diese Männer heil an Land bringen – selbst wenn ihn dies das Leben kosten sollte. Er geleitete sie durch die steigenden und fallenden Wogen, ein Schwimmstoß und ein Beinschwung nach dem anderen, auch wenn ihm diese zunehmend schwerer fielen. Er lauschte den Stimmen aus seiner Vergangenheit, den Stimmen seiner Ausbilder und ersten Vorgesetzten, die ihr Leben der Aufgabe gewidmet hatten, bei ihm und vielen anderen den Kampfgeist zu wecken, der tief in ihrem Herzen geschlummert hatte.
F ast 90 Minuten später hörte er zum ersten Mal die Uferbrandung. Jedes Mal, wenn ihn die Wellen emportrugen, sah er, dass sich zahlreiche Taschenlampen am Strand entlangbewegten. Wo es Taschenlampen gab, musste es auch Menschen geben. Sie waren ans Ufer geeilt, um die Brände und Explosionen draußen auf dem Meer zu beobachten. Jetzt würden sie wohl bald auch ihn bemerken. Moores Geheimoperation würde bald kein Geheimnis mehr sein. Er fluchte und warf einen Blick nach hinten. Die Gruppe der Überlebenden war mindestens 50 Meter zurückgefallen. Sie hatten mit Moores strammem Tempo nicht mithalten können. Jetzt konnte er sie kaum noch sehen.
Als seine nackten Füße den sandigen Boden berührten, war Moore völlig fertig und ließ alles, was er noch bei sich hatte, in der Arabischen See zurück. Kayani kam immer noch nur kurz zu Bewusstsein, als ihn Moore durch die Brandung schleppte und auf den Strand zog, wo sich sogleich fünf oder sechs Dorfbewohner um die beiden scharten. »Ruft Hilfe herbei!«, brachte er gerade noch heraus.
In der Entfernung schlugen immer noch Flammen hoch. Es wirkte wie ein Hitzegewitter, das ein Negativ bild der Wolken hervorrief. Die Silhouetten der bei den Schiffe waren jedoch verschwunden, nur der Rest des auf dem Wasser schwimmenden Treibstoffs brannte weiterhin ab.
Moore zog sein Handy heraus, aber es hatte den Geist aufgegeben. Wenn er das nächste Mal Gefahr lief, von einem U-Boot angegriffen zu werden, wollte er sich zuvor eine wasserdichte Version zulegen. Er bat einen der Dörfler, einen milchbärtigen Jungen im Oberschulalter, ihm sein Mobiltelefon zu leihen.
»Ich habe gesehen, wie die Schiffe explodiert sind«, stieß der Junge atemlos hervor.
»Ich auch«, blaffte ihn Moore an, um dann jedoch freundlicher hinzuzufügen: »Danke für das Handy.«
»Geben Sie es mir«, rief Kayani vom Strand herüber. Seine Stimme klang zwar noch recht brüchig, aber er schien jetzt doch wieder klar im Kopf zu sein. »Mein Onkel ist Oberst in der Armee. Er schickt uns innerhalb einer Stunde einen Hubschrauber. Das ist der schnellste Weg, um hier wegzukommen.«
»Hier, nehmen Sie es«, sagte Moore. Er hatte die Karten genau gelesen und wusste deshalb, dass es mit dem Auto bis zum nächsten Krankenhaus Stunden dauern würde. Als Treffpunkt der beiden Schiffe hatte man ja ganz bewusst einen Punkt vor einer dünn besiedelten ländlichen Küste ausgewählt.
Kayani erreichte seinen Onkel. Dieser versprach ihm, sofort einen Helikopter loszuschicken. Danach rief Kayani seinen Kommandeur an und bat ihn, eine Rettungsoperation der Küstenwache anzufordern, die nach weiteren Schiffbrüchigen suchen sollte. Aller dings verfügte die pakistanische Küstenwacht nicht über Rettungshubschrauber, und ihre in China gebauten Korvetten und Patrouillenboote würden erst am Spätvormittag eintreffen. Moore fing erneut an, die Brandung zu beobachten. Jede anrollende Welle suchte er mit den Augen nach eventuellen Überlebenden ab.
Fünf Minuten. Zehn. Nichts. Keine einzige Seele. Er musste an das Blut und die abgerissenen Körperteile denken, auf die sie im Wasser immer wieder gestoßen waren. Die hatten inzwischen bestimmt alle Haie der näheren und weiteren Umgebung angelockt. Die wohl überwiegend verwundeten Schwimmer hatten deren Angriffen wahrscheinlich nicht viel
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