Geheimnis der Liebe: Roman (German Edition)
Aber jetzt war es für immer mit einem hässlichen Teufels-mal gezeichnet. Vielleicht gar nicht vom Teufel, dachte Samantha, sondern von Gott selbst, der es nicht zulassen wollte, dass ein bloßer Mensch eine derartige Vollkommenheit erlangte. Eigentlich hätte sie sich abgestoßen fühlen sollen, aber sie konnte nicht wegsehen. Seine zerstörte Schönheit war irgendwie faszinierender, als Perfektion es je hätte sein können.
Er trug seine Verunstaltung wie eine Maske, verbarg alle Verletzlichkeit dahinter. Aber es war ihm unmöglich, den leicht verwunderten Ausdruck in seinen meergrünen Augen zu kaschieren. Augen, die Samantha nicht ansahen; sie blickten durch sie hindurch.
Seine Nasenflügel bebten wieder. »Es ist eine Frau hier«, verkündete er voller Überzeugung.
»Natürlich ist hier eine«, erklärte Mrs. Philpot munter. »Beckwith und ich haben uns nur ein Tässchen Nachmittagstee gegönnt.«
Die Haushälterin zupfte Samantha erneut am Ärmel, bat sie wortlos zu gehen. Doch Gabriel Fairchilds blicklose Augen bannten sie wie angewurzelt an Ort und Stelle. Er kam auf sie zu, langsamer nun, aber nicht weniger zielstrebig als zuvor. Samantha begriff in dem Augenblick, dass sie eine Närrin wäre, seine Vorsicht als Schwäche auszulegen. Seine Verzweiflung machte ihn nur noch gefährlicher. Besonders für sie.
Er näherte sich ihr so entschlossen, dass sogar Mrs. Philpot zurückwich und mit den Schatten verschmolz. Samantha musste sich ihm alleine stellen. Obwohl ihr erster Impuls war, einen Schritt nach hinten zu machen, zwang sie sich, still und aufrecht dazustehen. Ihre ursprüngliche Furcht, dass er sie umrennen würde – oder gar niedertrampeln – , erwies sich jedoch als unbegründet.
Mit seiner unheimlich scharfen Wahrnehmung blieb er kurz vor ihr stehen und schnupperte argwöhnisch. Samantha hätte es nicht für möglich gehalten, dass der leichte Zitronenduft, den sie sich hinter die Ohren getupft hatte, auf einen Mann anziehend wirken könnte. Doch sein Gesichtsausdruck, als er ihn einatmete, vermittelte ihr das Gefühl, ein leicht geschürztes Haremsmädchen zu sein, das nur darauf wartete, zum Sultan gerufen zu werden. Ihre Haut kribbelte. Es war, als berührte er sie, ohne einen Finger zu heben.
Als er um sie herumging, drehte sie sich mit ihm, von dem seltsamen Drang überwältigt, ihm nicht den Rücken zuzukehren. Schließlich blieb er stehen, und zwar so nahe vor ihr, dass sie die Hitze spüren konnte, die seine Haut in Wellen verströmte, und sie jede Einzelne der goldgeküssten Wimpern zu zählen vermochte, die seine außergewöhnlichen Augen säumten.
»Wer ist sie?«, verlangte er zu wissen, wobei er eine Stelle oberhalb ihrer linken Schulter fixierte. »Und was will sie hier?«
Ehe einer der Dienstboten eine Antwort stammeln konnte, erwiderte Samantha fest: » Sie , Mylord, ist Miss Samantha Wickersham, und sie ist gekommen, um sich für die Stelle als Ihre Pflegerin zu bewerben.«
Der Earl senkte seinen leeren Blick und verzog spöttisch den Mund, als amüsierte es ihn, dass sein Gegner so klein war. Ein Schnauben entfuhr ihm. »Kindermädchen, meinen Sie? Jemand, der mir ein Schlafliedchen vorsingt, wenn es Zeit fürs Bett ist, mich löffelweise mit Porridge füttert und mir den …« – er machte eine Pause, bis sich beide Dienstboden in unguter Vorahnung wanden – »das Kinn abwischt, wenn ich gekleckert habe?«
»Ich habe kaum die geeignete Stimme für Wiegenlieder, und außerdem bin ich davon überzeugt, dass Sie sehr gut in der Lage sind, sich Ihr … Kinn selbst abzuwischen«, entgegnete Samantha sanft. »Meine Aufgabe besteht vielmehr darin, Ihnen dabei zu helfen, sich auf Ihre neuen Lebensumstände einzustellen.«
Er beugte sich weiter vor. »Und was, wenn ich mich nicht darauf einstellen will? Was, wenn ich einfach nur in Ruhe gelassen werden will, zum Teufel noch mal, damit ich hier in Frieden verrotten kann?«
Mrs. Philpot keuchte auf, aber Samantha wollte sich von seiner beiläufigen Lästerung einfach nicht schockieren lassen. »Meinetwegen brauchen Sie nicht rot zu werden, Mrs. Philpot. Ich darf Ihnen versichern, dass ich es gewohnt bin, mit kindischen Ausbrüchen fertig zu werden. Während meiner Zeit als Gouvernante haben meine jungen Schützlinge nur zu gerne die Grenzen meiner Duldsamkeit getestet und sich Wutanfällen hingegeben, wenn etwas nicht nach ihrem Willen ging.«
Da er mit einem trotzigen Dreijährigen verglichen wurde, senkte der Earl seine
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