Geheimnis des italienische Grafen
Schreibtisch und griff nach der Feder. Diese Geschichte musste er niederschreiben. Aber noch wichtiger wäre es natürlich, das Silber zu erringen. So viele andere würde es zum Einsatz für die große Sache inspirieren. Seit er erwachsen war, weihte er sein Leben der glorreichen Vergangenheit und der Zukunft Italiens, der Wiedergewinnung verlorener Kunstschätze, der verlorenen Geschichte. Auch das Silber würde er aufspüren, mochte es kosten, was es wollte.
Ach, wenn ihn doch die Erinnerung an Thalias Augen, die alles sahen, bloß nicht mehr verfolgen würde …
3. KAPITEL
Wie üblich herrschte um zehn Uhr morgens dichtes Gedränge in der Trinkhalle. Thalia und Calliope traten in den Säulengang und mischten sich unter die Menschenmenge. Im hellgrauen Licht des bewölkten Tags erfüllten Gelächter und lebhafte Gespräche den großen weißen Raum, einzelne Wortfetzen drangen zu den beiden Schwestern.
„Was für ein vulgärer Hut …“
„In den Assembly Rooms bekam ich kaum Luft …“
„Der Doktor meint, ich müsste …“
„Und hier soll man genesen und neue Kräfte sammeln?“, fragte Calliope skeptisch und wich dem Rollstuhl einer alten Dame aus, der gerade vorbeigeschoben wurde. „Inmitten dieser Massen, die unsinniges Zeug reden? Genauso gut hätten wir in London bleiben können.“
Thalia ergriff den Arm ihrer Schwester und zog sie näher zu sich heran. Später würden sie Cameron bei der Wassertheke treffen – falls sie die Halle unbeschadet durchqueren konnten. Ihr Schwager hatte sich entfernt, um die Namen seiner Begleiterinnen und seinen eigenen ins Gästebuch einzutragen.
Obwohl Thalia nicht allzu groß war, wusste sie sich einen Weg zu bahnen. Mit ihrem schlanken, von blauer Seide umhüllten Arm drängte sie einige der Schwätzer beiseite. Oder sie musterte die Leute mit einem ruhigen Blick, bis sie Platz machten. „Die Londoner Luft tut dir nicht gut, Callie“, betonte sie, während sie Schlange standen, um Wassergläser zu holen. „Und der kleinen Psyche auch nicht. Hier wirst du dich ausruhen und erholen. Niemand stellt Forderungen an dich, keine Antiquities Society, keine Ladies Artistic Society, kein einziger dieser zahllosen Vereine …“
„Lady Westwood? Miss Chase?“
Die beiden Schwestern drehten sich zu Lord Grimsby um, einem Freund ihres Vaters, der ebenso wie Sir Walter der Antiquities Society angehörte. Schwerfällig stützte er sich auf seinen Gehstock.
„Oh, Lord Grimsby!“, rief Calliope. „Was für eine nette Überraschung!“
„Sicher sind Sie nicht so überrascht, wie wir es waren, als wir von der Heirat Ihres Vaters und Lady Rushworths hörten“, erwiderte er und lachte. „Sir Walter schrieb uns, Sie würden Bath bald besuchen. Wenn meine Frau und meine Tochter erfahren, dass Sie schon hier sind, werden sie sich freuen. In dieser Stadt findet man nur selten akzeptable Gesellschaft.“
Thalia schaute sich im Getümmel um. „Das sehe ich.“
„Natürlich müssen Sie am nächsten Treffen der Classical Society teilnehmen. So zahlreich wie bei der Londoner Antiquities Society sind die Mitglieder nicht. Aber wir veranstalten oft Vorträge, Debatten und Exkursionen zu den römischen Kunstschätzen. Rings um Bath gibt es so viele Ausgrabungen.“
„Wie wundervoll das klingt, Lord Grimsby!“, meinte Calliope. „Was würden wir nur ohne unsere diversen wissenschaftlichen Gesellschaften anfangen …“
„Sogar in Bath wollen wir einen gewissen Standard aufrechterhalten, Lady Westwood. Welch ein Glück, zwei Chase-Mädchen in unserer Mitte zu wissen. Werden Sie nächste Woche unsere Versammlung besuchen?“
„Das würden wir sehr gern tun“, beteuerte Thalia. „Aber die Ärzte haben meiner Schwester unbedingte Ruhe verordnet.“
Lord Grimsby lachte wieder, diesmal so heftig, dass seine altmodische Perücke verrutschte. „Ja, das reden sie uns allen ein, Miss Chase – wir müssen uns ausruhen. Was soll man in Bath auch anderes machen? Doch das bedeutet keineswegs, auch unser Geist würde der Ruhe bedürfen. Da würde mir Ihr Vater gewiss zustimmen. Außerdem geht es bei unseren Zusammenkünften sehr ruhig und angenehm zu. Morgen wird Lady Grimsby Sie besuchen. Bis dann, meine Damen!“
Während Seine Lordschaft davonhumpelte, gab Calliope dem Bediensteten an der Wassertheke die erforderlichen Münzen und nahm zwei gefüllte Gläser entgegen. „Hier werden keine Forderungen an mich gestellt, nicht wahr?“, wisperte sie, und Thalia
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