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Geheimnis des Verlangens

Geheimnis des Verlangens

Titel: Geheimnis des Verlangens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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Kapitel 1
    Cardinia, 1835
    D er Kronprinz von Cardinia zögerte einen Augenblick, bevor er das königliche Schlafgemach betrat. Maximilian Daneff würde allein dort auf ihn warten, wie ein unheilvolles Echo aus seiner Jugend. Hier war er früher für seine Missetaten zur Rechenschaft gezogen und bestraft worden war — meistens zu Recht, manchmal auch zu Unrecht. Die Diener hatte sein Vater vorher weggeschickt, und einzig Graf Daneff durfte bleiben — als Puffer zwischen zwei hitzigen Gemütern. Daneff war mittlerweile Premierminister, aber schon bevor er in dieses hohe Amt aufgestiegen war, hatte er sich als Freund und Ratgeber des Königs verdient gemacht.
    Als der Prinz eintrat, ergriff Maximilian ohne zu zögern das Wort: »Ich weiß Euer Fingerspitzengefühl in dieser Situation wirklich sehr zu schätzen, Majestät«, sagte er mit dem weichen, fremdländischen Akzent, den er von seiner rumänischen Mutter geerbt hatte. »Ich hatte schon befürchtet, dass wir jedes Zigeunerlager in der Umgebung nach Euch absuchen müssen.«
    Er war unzufrieden mit dem Prinzen, und er gab sich keine Mühe, diese Tatsache vor ihm zu verbergen; das hatte er nie getan. Dem alten König gefiel es nicht, wie der Prinz seine Zeit verbrachte, und Maximilian Daneff gefiel es noch viel weniger. Aber der unverhohlene Tadel in seinen Worten verfehlte heute seine gewohnte Wirkung; der Prinz wurde weder ärgerlich, noch schoss ihm das Blut in die Wangen. Es war die Anrede —Majestät und nicht Hoheit —, die den Prinzen erstarren ließ. Alle Farbe wich aus seinem Gesicht.
    »Mein Gott, er ist tot?«
    »Nein — nein!« Daneff schrie diese Worte fast, so entsetzt war er darüber, diesen Eindruck vermittelt zu haben. »Aber...« Er hielt plötzlich inne, denn ihm wurde bewusst , dass der Kronprinz völlig ahnungslos war. Niemand hatte ihn gewarnt, dass so etwas passieren konnte. »Sandor hat abgedankt. Ganz offiziell, mit dem türkischen Großwesir als seinem Zeugen.«
    »Und wie kommt es, dass ich zu diesem großen Ereignis nicht eingeladen war?« Wütend kehrte die Farbe in sein Gesicht zurück.
    »Es bestand der Verdacht, dass Ihr vielleicht protestieren würdet...«
    »Was ich wahrhaftig auch getan hätte! Warum, Max? Es geht ihm doch wieder besser, behaupten seine Ärzte. War das eine Lüge? Wollte man mich schonen?«
    »Es geht ihm besser, aber... das wird nicht so bleiben, wenn er wieder seine alten Pflichten übernimmt. Und Ihr wisst , Majestät, dass Sandors Zeit abläuft. Man hat es Euch gesagt. Euer Vater ist fünfundsechzig, und diese letzte Krankheit hat sein Herz angegriffen. Ein paar Monate noch, mehr dürfen wir nicht hoffen.«
    Der Prinz schloss für einen Moment die Augen; sonst verriet er mit keiner Regung, wie schwer ihn diese Worte trafen. Natürlich hatten sie es ihm gesagt, aber er hatte alle Warnungen in den Wind geschlagen und sich etwas vorgemacht, wie wohl jedes Kind, das nach der Mutter nun auch noch den Vater verlieren sollte. Die Ärzte hatten ihm seine Hoffnung gelassen, aber es war eine trügerische Hoffnung gewesen. Das begriff er jetzt.
    »Ist das der Grund, warum ich her zitiert wurde?« fragte er verbittert. »Um zu erfahren, dass ich gekrönt werden soll, noch bevor der alte König unter der Erde liegt?«
    »Ich weiß, dass Ihr diese Entscheidung nicht billigt, aber Ihr habt keine Wahl. Es ist der Wunsch Eures Vaters.«
    »Ihr hättet doch die Regierungsgeschäfte übernehmen können! So wie früher, wenn er außer Landes war. Er hätte nicht auf die Krone verzichten müssen! Nicht bevor der Tod selbst sie ihm nahm!«
    Maximilian lächelte traurig. »Glaubt Ihr denn wirklich, man könnte Sandor von den aufreibenden Pflichten seines Amtes fernhalten, während er in Cardinia weilt und über alles informiert ist? Um ihm die Ruhe zu verschaffen, die lebenswichtig für ihn ist, gab es nur eine Möglichkeit. Er musste von seinem Amt zurücktreten. Das wusste er selbst, und er hat die Konsequenz gezogen. Übrigens ist das nur einer der Gründe, warum er Euch hat rufen lassen — und nicht einmal der wichtigste.«
    »Was könnte wohl noch wichtiger sein?«
    »Das wird Sandor Euch selbst sagen. Geht jetzt zu ihm, er erwartet Euch. Und macht ihm keine Vorwürfe wegen etwas, das bereits geschehen ist und nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Er hat aus freien Stücken abgedankt, und er ist sogar glücklich darüber, denn Ihr seid sein ganzer Stolz, seid es immer gewesen. Was die anderen Dinge betrifft, zügelt

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