Geier
Gefallen. Kannst du ihm ein Telefon verkaufen, das garantiert noch für zehn Tage gut ist?”
Cutberto wollte gerade zum empörten Protest ansetzen als Ignacios Hand vorschnellte. Er griff eine Handvoll lilaglänzendes Samthemd und zog. Der unterernährte Cowboy rutschte ihm bis unter die Nase.
“Du wirst doch keinen Diener Gottes anlügen?”
“Nein, Padre, ich doch nicht.“ Er war die Höflichkeit selbst. Direkt unterwürfig. „Natürlich kann ich ihrem Freund ein Telefon verkaufen. Wohin will er denn telefonieren?”
“Nur in Kalifornien umher und vielleicht nach Tijuana. Weiter nicht”, sagte ich.
Er zog ein hübsches Nokia aus der Westentasche und reichte es mir über den Tisch. “Garantiert bis zum sechsten Juli in Ordnung, danach noch mal vierzehn Tage, aber mit möglicher Unterbrechung. Ich würde es nicht nach dem Sechsten benutzen. Und wenn Sie danach noch mal eines brauchen, kommen sie her.”
Es sah gut aus. Wie meines, nur von einer Konkurrenzfirma bedient. “Quanto?” wollte ich wissen.
“Para un amigo de nuestro padre, cien dolares, Señor.”
Ignacio legte ihm mein Telefon hin und sagte “Cincuenta.”
Der bunte Cowboy steckte es ein und nickte. Ich gab ihm den Fünfziger.
“Und noch eines für seinen Freund. Noch mal fünfzig Dollar”, versprach Ignacio. Der Telefonmann sagte, er sei gleich wieder da. Er kam auch ein paar Minuten später mit einem schicken Telefon, das er einem Patrioten geklaut hatte. Es trug noch ein Gehäuse in Farbe und Muster der U.S. Fahne.
“Da wird sich Rick aber freuen.”
Das meinte Ignacio auch.
Rick war vom Zimmer begeistert, fand die Farm überhaupt Spitze und die Señora auch richtig nett, wie er sagte. Der Padre beschrieb daraufhin den heute abwesenden Señor Gutierrez, eine Beschreibung, die Rick sofort weniger enthusiastisch stimmte. Aber trotzdem; hier wird er Ruhe haben, hier kann er sich der Informationsbeschaffung und der Ausführung unseres Planes widmen. Versprach er.
Ich steckte ihm noch ein paar Scheine zu, denn er war völlig blank, wie sich herausstellte. Kein Wunder. Ist ja Hals über Kopf abgehauen. Hätte ich auch früher dran denken können.
Mir ging Cherie nicht aus dem Kopf. Mann, so wie die da hing! Ich musste immer wieder an sie denken. Diese Drecksäcke. Ich war ja kein gewalttätiger Mensch, aber ich traute mir zu, jedem von denen mit meinem Ballermann ein Loch in den Bauch zu pusten. Wenn es denn sein musste. Solche Schweine. Die arme Cherie.
Ich fühlte mich doppelt miserabel weil ich genau wusste, dass sie wegen meiner Dämlichkeit starb. Wie konnte ich nur von ihrem Haus aus telefonieren? Dass die Drogencops den besten technischen Apparat zur Verfügung haben, weiß jedes Kind. Die DEA-Bullen haben bei uns einen Stellenwert, der den des Papstes in den Schatten stellt. Verteidiger der Freiheit und des American Way of Life. Stehen mutig zwischen den gottlosen Dealern, meist gewissenlose Ausländer dazu noch, und den zwanzig Millionen Amerikanern, deren Stimmung, Wohlbefinden und Arbeitskraft täglich von ihrer Ware abhängt.
Und denen willst du an den Kragen? Mein Mut verpuffte wieder mal. Meine Stimmungslage war zur Zeit Achterbahn. Mal oben, dann wieder magenumdrehend ins Nichts. Gottseidank war die Alternative total beschissen. Eine echt darwinsche Lage – fressen oder gefressen werden. Die oder ich. Es gab keinen friedlichen Ausweg, nicht wenn ich leben wollte. Rick und ich. Nie vergessen, was sie Cherie angetan haben, mit welch bestialischer Grausamkeit, mit auf dem Video deutlicher Begeisterung.
Keine Wahl. Natürlich müssen wir. Meine Mutschwankungen waren Selbstbetrug. Ich musste, Mut oder nicht. Mir blieb keine Wahl.
Ignacio und ich gingen um Mitternacht. Frau Gutierrez nahm Rick fürsorglich am Arm, um ihn sicher über ihren leergewordenen Hof zu führen. Mein letzter Eindruck beim Zurückschauen war, dass sie ihn schön warm zudecken würde, damit er auch gut schläft.
Kurz vorm Freeway rief ich Ricks neue Mobiltelefonnummer an. Er nahm ab und fragte „Ja?“, während ganz in der Nähe Frau Gutierrez kicherte. Ich lachte und wünschte ihm eine gute Nacht.
Sonntagvormittag ist bekanntlich Großkampftag im Priesterleben. Da wird gearbeitet. Ich ging früh durchs Dorf, hatte meinen Laptop unter den Arm geklemmt, und setzte mich an den Waldrand. Von dort aus konnte ich die Mission und ihren gut belegten Parkplatz im Auge behalten und gleichzeitig arbeiten.
Ich prüfte noch mal die
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