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Geier

Geier

Titel: Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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Kapitänsmütze. Die Frauen schauten ihn verstohlen gierig oder offen gierig an. Je nach Ehestand und Temperament.
     
    Misty, die schon lange nicht mehr Misty hieß, winkte. Sie stand von Gästen umringt beim Priester und war sichtlich ungeduldig. Hochwürden dagegen war die Ruhe selbst. Dunkelbraun, wie alle hier, mit Aztekennase und einem breiten, dicklippigen Mund, den er gerade bis an beide Ohren streckte. Misty gefiel ihm – er hatte schon lange ein zölibatäres Auge auf sie geworfen.
    Hinter ihm stand Ignacio, wahrscheinlich als Springer, der weitermachen würde, falls der Padre seinen Text vergaß.
    Als dritter Mann dieses Menschheitsquerschnittes grinste Winston perlweiß über sämtliche Backen. Der hatte es sich nicht nehmen lassen, noch gestern Abend auf unseren neuen Wüsten-Airport einzufliegen – direkt aus Jamaica, in der eigenen Langstrecken-Cessna, mit der er sonst Touristen über Dunn´s River Falls flog und gelegentlich in mondlosen Nächten, ohne Positionslicht und in Pelikanflughöhe, allein nach Kolumbien. Ich hatte mir dämliche Fragen abgewöhnt. Wie gesagt, der Mensch lernt. Dauert nur.
     
    Als uns die Gäste sahen, kam Applaus auf. Ich dankte mit beiden erhobenen Händen, während Javier rot anlief. Das hatte er sich nicht abgewöhnen können. Schüchtern war er noch immer, trotz des verblüffenden Erfolges bei den Damen. Ich begleitete ihn zum Altar und stellte ihn ab.
    Immer diese gesellschaftliche Konvention! Dann nahm ich Misty – Sie wissen schon – am Arm und führte sie aus dem Zelt. Wir warteten im Sonnenschein, bis sich die Gäste gesetzt hatten und die Orgel ertönte. Ich flüsterte ihr das Gleiche zu, das ich schon Rick gesagt hatte. Sie gab mir einen dicken Kuss. Dann schauten wir uns aufatmend an, zerquetschen beide verstohlen eine Träne und gingen, Hand fest in Hand, durch die offenstehende Zeltklappe ins Innere des Kirchenprovisoriums.
     
    Sie strahlte. Sie trug ein eng anliegendes, kurzes Naturseidenkleid. Ihre hochhackigen weißen Pumps brachten uns Aug´ in Auge, so wie wir´s in ihrem kalifornischen Wüstenbetrieb oft genug waren. Damals allerdings horizontal. Um den Hals trug sie mein Hochzeitsgeschenk, eine tausendjährige aztekische Goldkette. Die platinblonden Haare trug sie hochgesteckt unter einem winzigen Schleier, und trotz des Halbdunkels im Zelt leuchteten sie strahlend. Wie die ganze Misty, die in wenigen Minuten einen neuen, offiziellen Namen haben würde. Einen, den sie behalten kann.
     
    Wir schritten durch die feierliche Stille zum Altar. Rings um uns saßen die Freunde, die wir in unseren fast zwei Jahren in San Felipe gewonnen hatten. Vor uns stand der vor Nervosität perlend schwitzende Rick-Javier in seiner Uniform und seinem Kapitänshut, Ring in der Hand, dahinter Padre Jaramillo, strahlend und mit dem gewaltigen Zinken die Luft prüfend, hinter ihm der verschmitzt lächelnde Brother Ignacio.
    Misty hatte vor Wochen, als wir die Fete planten, endlich die Katze aus dem Sack gelassen. Sie und Ignacio waren zehn Jahre lang ein Paar, wohnten zusammen und wollten nach seiner Pensionierung heiraten. Bis der Heilige Franziskus dazwischenkam. Nun strahlte er seine alte Freundin an und kniff ein Auge zu.
    Ein schöner Tag. Nach der Trauung würden wir noch bis um halb zehn feiern. Danach gab´s das Weihnachtsessen im kleinen Kreis, hinterher Geschenke. Wie die Einheimischen es tun, und die Europäer. Der einzige, der trotz der Nähe Nordamerikas in Baja California am Weihnachtsabend den Kamin hinunterrutscht ist der Kaminfeger.
    Die Gäste freuten sich, die Priester freuten sich, ich freute mich, Misty war außer sich. Ich spürte ihr Zittern. Ich blickte stur geradeaus, auf Rick, der mit Terror in den Augen stocksteif dastand und uns zusah. Als wir den letzten Schritt getan hatten – warum kamen mir standrechtliche Erschießungen in den Sinn? – legte ich Mistys Hand in Ricks schweißnasse. Dann trat ich einen Schritt zurück.
     
    Die Zeremonie selbst war kurz und bündig. Willst du? fragte der Padre, und Misty bejahte. Und du? wurde Rick gefragt. Auch er nickte und die Gäste beugten sich wie choreografiert vor, um sein stockendes „Si“ hören zu können. Dann wars auch schon vorbei. Nun strahlte ich.
    Ich schaute zu Julie rüber. Die saß auf dem Ehrenplatz in der ersten Bankreihe und freute sich genauso, wie sich Misty gefreut hatte, als wir beide heirateten. Was genau ein Jahr her war. Hier, im Zelt, letztes Jahr zu Weihnachten. Carlito

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