Geier
falls zufällig noch jemand das Konto anschaute.
Das andere Konto war ein Eingangskonto. Da sammelte er Beträge aller Art und überwies jeweils nur einen Großbetrag pro Woche, manchmal zwei. Also holte ich mir von den fast zwei Millionen Dollar 1,65 Millionen und ließ zweihundertsiebentausend und ein paar Zerquetschte drauf. Auch hier machte ich die Vorarbeit und ließ die Seite offen.
Ein drittes Konto mit sehr vielen Bewegungen diente vermutlich dem Tagesgeschäft. Das sah aus wie jedes Girokonto jeder Volksbank in jedem Kaff der Welt. Vom überwiesenen Fünfer zum einmal monatlich stattfindenden Leerfegen war hier alles drin. Ich ließ die paar Tausend stehen. Der Betrag wog die Entdeckungsgefahr nicht auf.
Und dann ging´s ans Geheimkonto in der Karibik. Das sollte mir am meisten Spaß machen, denn von dem wusste nichtmal die Frau Moreno etwas. Er hatte mithilfe der Bank eine clevere Sicherung eingebaut; bei Kontoeröffnung vor einigen Jahren hatte die Bank ein einmaliges Cookie gesetzt, und der Zugang war nur über den Computer möglich, der das Cookie in seinem Inneren gespeichert hatte.
So ein Cookie, hatte mir Rick erklärt, ist eine Art Erkennungscode, eine elektronische Kombination, die nur von ihrem Gegenstück geöffnet werden kann. Und dann erst das zu sichernde Objekt freigibt. Diese Art Cookie kann selbst vom cleversten Computer nicht geknackt werden, weil einfach zu viele Zusammensetzungsmöglichkeiten bestehen. Die totale Sicherheit also.
Deswegen hat sich Rick gar nicht erst die Mühe gemacht, das Ding knacken zu wollen. Der hat sich mit einem von einer öffentlich zugänglichen Hackersite heruntergeladenen Programm einfach an den Bankcomputer angeheftet. Und als der Morenocomputer sich im Bankcomputer einloggte, ritt Ricks Trojanisches Pferd bis zum Morenocookie vor, kopierte es, ließ das Original unangetastet stehen und klaute die Kopie. Die lieferte es wohlbehalten in Ricks Computer ab. Ohne dass jemand was merkte.
Also hatten wir das Kekschen auch in meinem Laptop installiert, von wo aus es sich nun als Doppelagent bewährte. Und die Verbindung zum Geheimkonto sofort freigab.
Merke: wer seinen Computer an die Internetleitung anschließt, hat gerade seine Haustür sperrangelweit geöffnet und den Schlüssel fortgeworfen.
Als die Seite mit den vielen Zahlen auf meinem Laptopbildschirm erschien, kam ich mir vor wie in Tausendundeiner Nacht. Sesam, mein Lieber, hatte sich geöffnet. Und lag nun breitbeinig vor mir. Ich schaute tief hinein, bestaunte die goldenen Schatztruhen und juwelenbesetzten Umhänge der Habgier.
Jeder wird älter, aber Moreno hatte wie nur wenige für die Goldenen Jahre vorgesorgt. In allen möglichen Währungen. In Euro und Dollar, in Fränkli und Pfund und Piaster. Angelegt, natürlich, denn niemand ist reich genug, Bares auf Konten herumliegen zu lassen. Aber so angelegt, dass sofort liquidiert werden konnte.
Mister Moreno traute seinem eigenen Glück nicht. Der wusste, dass im Notfall nur Cash echtes Geld ist. Und er kannte sich im Bankgewerbe leidlich aus, schien es. Denn er hatte verfügt, dass nur an Banken in Liechtenstein, Andorra und Luxemburg ausgezahlt werden dürfe. Er kannte die Fallen.
Also liquidierte ich. Alles. Die ganze Herrlichkeit.
Die sofortige Neuordnung des Guthabens kam auf gute fünf Millionen Dollar. Abzüglich Provision, Agio, Wechselgebühr, Transferkosten, Kontoführungsgebühren und einigen Posten, die bei Autowerkstätten unter der belletristisch anmutenden Sammelbezeichnung „Kleinteile und Verbrauchsmaterial“ den Reingewinn kräftig erhöhen. Aber ich war nicht in Stimmung, mich wegen lumpiger dreieinhalb Prozent mit den karibischen Bankiers zu streiten. Ich akzeptierte die Aufstellung, ließ noch einen Bodensatz von einer runden Million Dollar auf dem Konto und bereitete die Überweisung des Hauptbetrages auf ein Bankkonto in Liechtenstein vor.
Hier würde es etwas haarig werden, hatte Sammy gewarnt. Der gute Sammy, der honorige Sammy. Mein Freund Sammy! Er befürchtete, dass die europäischen Behörden zugreifen könnten, falls sie Verdacht schöpften. Deshalb hatte er seine Kanzlei als Inhaberin des Liechtensteiner Kontos angeboten, und er hatte es ausdrücklich als Anderkonto deklariert, damit er mit der einheimischen Steuerbehörde keinen Ärger bekam. Aber trotz seines einwandfreien Rufes als Mitglied der kalifornischen Anwaltskammer und seiner Arbeit als Notar könnte die Bankenaufsicht doch eine Wartefrist
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