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Geier

Geier

Titel: Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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festgestellt haben, und vermutlich haben sie ein paar Leichen entdeckt. Also nichts wie weg.
    Ich fuhr zum Restaurant in New Cuyama, ließ meinen Truck nicht aus den Augen und futterte einen passablen Straußenburger – den es dort schon seit zwanzig Jahren gibt, denn die Rancher in Cuyama entdeckten früh, dass sich Straußenvögel auf ihren Staubprärien richtig wohlfühlten, fast wie zu Hause. Und da die Laufvögel ein zähes, weil fettarmes Fleisch ihr eigen nennen, ersetzten sie dort bald die dürren Kühe, die ohnehin permanent dem Hungertod ins blutunterlaufene Auge blickten. Weshalb jetzt zweimeterhohe Vögel über die eingezäunte Wüste spazieren und bei Erreichen eines bestimmten Gewichtes durch den Fleischwolf gedreht werden, die vorher abgezogene Haut zu Cowboystiefeln verarbeitet, und ihre buschigen Federn Karnevalskostüme zieren.
     
    Zehn Meilen weiter bog ich ins flache, heiße und furztrockene Carrizo Plain. Die einzige Straße, die durch das Wüstengebiet zum seit Jahrhunderten ausgetrockneten, schneeweißen Bett des Soda Lake führt, ist nicht befestigt, also zog ich im Abendlicht eine meilenweit sichtbar leuchtende Staubfahne hinter mir her. Eine Erhebung thront neben dem ehemaligen See, und auf die wollte ich. Dort könnte ich die Nacht verbringen, hatte dank der Höhe eine ordentliche Telefonverbindung zum nächsten Antennenturm und sah rechtzeitig, wenn jemand durchs Tal fuhr.
    Ich hatte Chips und Bier dabei, Cola und drei belegte Brote, die ich mir noch in San Miguel gekauft hatte, also packte ich alles aus und schleppte es auf den zwanzig Meter hohen Hügel. Obenauf war ein Picknicktisch, an dem ich mich häuslich einrichtete. Einundzwanzig Uhr. Ich warf wieder den Computer an und beschäftigte mich mit den Konten. Hübsch. Moreno war im Vergleich zum Tagesbeginn eine Kirchenmaus, wenn nicht gar eine tote Kirchenmaus, Rick und ich Millionäre. So gehört sich´s.
    Ich rief ihn an und gratulierte zur Vermögensvermehrung. „Junge, ich kann es noch immer nicht fassen“, staunte er. „Als ich die Beträge sah und dann noch ganz locker in der Weltgeschichte herumschob, wurde mir ganz anders. Meinst du wirklich, dass wir damit durchkommen?“
    „Klar meine ich das. Bis jetzt sieht´s ja gut aus.“
    Er blieb einen Moment stumm. „Mensch, Jon, stelle dir vor; nie wieder bangen müssen, ob die Miete rechtzeitig bezahlt werden kann. Nie wieder Muffe vorm 15. April, wenn die Einkommensteuer fällig ist. Und nie wieder vorm Schaufenster stehen und wissen, dass man sich nicht leisten kann, was da ausgestellt ist.“
    „Hast recht, aber denke auch dran, dass wir uns ganz schön vorsehen müssen. Vor Fremden, vor Unvorsichtigkeit. Nicht mehr in der Kneipe voll laufen lassen, nie wieder bei Leuten, die man nicht genau kennt, einen durchziehen. Wir werden uns ganz schön zusammennehmen müssen.“ Was mir ja früher unmöglich gewesen wäre, aber nach diesem letzten Monat kaum Schwierigkeiten bereiten dürfte. Wenn alles nur so einfach wäre.
    „Mache ich gern“, sprach Rick mit Begeisterung. „Wenn ich nur nach Hause gehen und Kohle zählen kann.“
    „Stimmt, Süßer. Deshalb machen wir jetzt weiter. Damit auch alles nach Plan abläuft. Ich rufe dich an, wenn du wieder dran bist.“
    „In Ordnung. Wir wollten gerade essen – Misty und ich. Gonzales ist mit seinem alten compadre in die Kneipe. Die zwei schlucken ganz lustig, kann ich dir sagen.“
    „Und was ist mit dem Grundstück?“
    „Geht klar, sagt Misty. Die übrigens gerade im Garten ist und fürs Abendessen Kräuter pflückt, also kann sie sich leider nicht mit dir unterhalten. Aber ich soll dir sagen, dass alles klargeht. Ein sagenhaftes Stück Land, Jon!“
    Ein sagenhaftes Stück, eher. Ich traute Mistys Treueschwüren nicht mehr über den Weg. Aber was soll´s. Erst kommt das Fressen, meinte schon Brecht, und dann die Moral. Der wusste das.
     
    Also kümmerte ich mich weiter ums Fressen. Bis Viertel vor eins. Jetzt wurde nämlich unser Plan etwas diffiziler. Ich hatte mich bei einem weltweit krakenhaft verzweigten Börsenmakler in London als Kunde eingetragen,
    Rick hatte auf mein Kundenkonto zweihunderttausend Pfund überwiesen und ich hatte Kauforder für eine Anzahl erstklassiger Wertpapiere gegeben. Die würden zwar kurzfristig kaum im Wert steigen, aber auch nicht drastisch fallen. Kleines Kursrisiko, kleiner Gewinn, hatte der Verkäufer mahnend abgeraten und gebeten, ihn doch Broker und nicht Telefondrücker zu nennen.

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