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Geier

Geier

Titel: Geier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter J. Kraus
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– eher hat er nur einen Batzen für sich gewittert. Ich war trotzdem völlig verunsichert.
    Ich ging zum Auto zurück, stieg ein und fuhr bis zur alten, ausladenden Eiche. Kurz nach zwölf. Dreihundert Fuß unter und neben mir trottete ein hungriger Kojote über den Berghang. Die Zunge hing ihm seitlich aus dem Maul, er lief windschief durch die Gegend, wie ein Auto, dessen Hinterachse um Zentimeter versetzt ist. Er war dürr – seine Rippen zeichneten sich deutlich unter dem graubraunen, mottenzerfressenen Fell ab. Die Augen hielt er auf den Boden gerichtet, bereit, sich sogar auf eine vorlaute Grille zu stürzen.
    Ich hob das Fernglas. Der schmutzig-weiße Postjeep mit dem blauroten, in Brusthöhe umlaufenden Streifen war in der Ferne gut auszumachen. Auf dem Land stehen meist mehrere Briefkästen nebeneinander, zwischen Farmeinfahrten an der Straße, damit der Briefträger nicht auf jeden entfernten Hof tuckern muss. Die Dinger sind seit hundert Jahren ordentlich groß, damit der Sears, Roebuck & Company-Versandkatalog hineinpasst. Ohne den hätten sich Amerikanerinnen im neunzehnten Jahrhundert vermutlich geweigert, Pionierin zu werden.
    Wie ein verfetteter Kolibri summte der Postler die Briefkastenreihen ab, hielt kurz, steckte überall die Hand hinein, nahm Umschläge mit, lieferte Post ab und brummte weiter. Bis er zum Stage Coach Inn kam. Da ließ er den Kasten links liegen und fuhr vor die Kneipe, stieg aus und ging die Treppe hoch. War bei Einschreiben Vorschrift. Da musste er die Unterschrift des Empfängers oder eines Empfangsbeauftragten holen. Und ich wusste, dass meine Post angekommen war. Nicht schlecht für drei Dollar Aufpreis.
     
    Er stieg nach zehn Minuten wieder in seinen Postjeep und fuhr weiter. Schön, wenn man sich als Briefbote hier und dort stärken kann. Das beschwingt, und der Tag geht viel schneller vorbei. Vielleicht wurde der damals in voller Blüte stehende erfolglose Schriftsteller Charles Bukowski deshalb Briefträger. Obwohl bei dem noch die Vögelei dazukam.
    Wir hatten verabredet, dass ich Rick benachrichtige, sobald die Päckchen abgeliefert waren. Also rief ich ihn kurz an und meldete. Von Sammy wollte ich nichts sagen. Wir hatten genug am Hals, ohne dass sich Rick noch wegen Sammy in die Hose macht. Reicht, wenn mir flau ist.
    „Also klar. Ich fange genau um einundzwanzig Uhr an.“
    So war´s ausgemacht. Bis dahin musste ich fertig sein. Dann war für mich Ruhe. Bis nachts um zwei, jedenfalls. Zwei Uhr an der Pazifikküste war zehn Uhr morgens in London, dort die beste Börsenzeit, also. Dann würde ich wieder weitermachen.
    „Gut“, sagte ich. „Und mein letzter Überweisungsauftrag geht fünf Minuten vorher raus. Halte also möglichst die verabredete Reihenfolge ein, damit ich Zeit habe, alles durchzuschießen, falls ein Verbindungsproblem auftaucht.“
    Denn das war eine der Variablen. Was ist, wenn das Netz zusammenbricht, wenn unser Server streikt, wenn das Elektrizitätsmonopol mal wieder abschaltet, weil der Verbrauch zu hoch ist oder der Preise zu niedrig? Weshalb wir eine drei viertel Stunde Pufferzone eingeplant hatten. Während der Zeit konnte ich entweder wieder ins Netz kommen, oder wenn alles vergeblich war konnte ich Rick anrufen, damit der von Mexiko aus so viel wie möglich von meiner Aufgabe übernehmen würde. Immer nach dem Motto: je größer die Beute, desto vordringlicher die Überweisung.
     
    Ich ahnte ja schon heute früh, dass es ein beschissener Tag werden würde. Man soll sich immer aufs Gefühl verlassen. Als ich nämlich so dasaß und darauf wartete, dass irgendwas passiert, rief ich Ignacio an. Meinen Computer hatte ich eingeschaltet, mein Telefon am Ohr, war also vollelektronisch mit der Außenwelt verbunden. Als Ignacio abnahm und ich mich meldete, wollte er wissen, ob es was Neues gebe.
    „Ich habe heute meine Computernachrichten überprüft, du weißt schon, und habe doch tatsächlich Sammy´s Stimme gehört.“
    Er kapierte nicht.
    „Na, ich habe dir doch von dem Kästchen erzählt, das man direkt an den Computer anschließen kann.....“
    „Ach, du großer Gott! Du meinst das Programm, das erst seit Kurzem installiert ist?“
    „Klar meine ich das. Da war unser Freund drauf. Und mauschelte mit einem, den er gut zu kennen scheint. Dort, wo ich kürzlich war und mich in deren Kommunikation einstöpselte.“ Er kapierte. „Ja, klar“, sagte er.
    „Niemand, der uns direkt angeht, aber der Zufall geht mir doch sehr an die

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