Geisterschiff Vallona
Rotieren zu bringen«, sagte Karl. »Es sieht so aus, als müsste der Seilzug eigentlich
in dieser Rille am Rand liegen.«
Sara probierte es und es schien zu stimmen.
»Aber wie sollen wir die Schnur da befestigen?«
Karl hatte eine Idee. Er machte am äußersten Ende der Schnur einen Knoten und fädelte dann den Seilzug durch einen der Schlitze,
sodass der Knoten auf der Oberseite des Schwungrades hängen blieb.
»Nicht übel«, sagte Sara. »Okay, Vorsicht, ich probiere es jetzt.«
Karl rückte ein Stück weiter nach vorne, um nicht wieder im Weg zu sitzen, nur für den Fall, dass Sara noch einmal auf ihn
zugeflogen käme. Beim ersten Versuch tat sich gar nichts. Beim zweiten Versuch dagegen sprang der Motor sofort an. Sara lächelte
zufrieden. Dann war sie wohl doch ein Schiffsmechaniker, trotz allem.
Sie griff nach Karls Kompassmesser und nahm Kurs auf.
Sara fuhr langsam und vorsichtig und das Boot glitt gleichmäßig über das offene Wasser.Noch waren keine Untiefen in der Nähe. Da bemerkte Karl, dass sie langsamer wurden. Sara musterte den Kompass mit gerunzelter
Stirn.
»Was ist los?«, fragte er.
Sara schüttelte den Kopf. Karl stand auf und kletterte zu ihr nach achtern. Die Kompassnadel drehte sich wie wild, rund und
rund in ihrem Glas.
»Was soll das denn …?«, murmelte er.
Sie starrten beide auf das kleine Instrument im Messerschaft, während das Boot unbeirrt geradeaus weiterfuhr.
»Da! Schau!«
In letzter Sekunde hob Sara den Blick und entdeckte ein Boot, das nicht weit entfernt vor ihnen lag. Schnell riss sie die
Steuerpinne herum und schaffte es, ihr Boot seitlich an dem anderen vorbeizumanövrieren. Es war reines Glück, dass sie langsamer
geworden waren. Sara atmete erleichtert auf, während Karl zurückschaute.
»Dreh um!«, rief er Sara zu, die schon begonnen hatte, im großen Bogen zu wenden.
Hinter ihnen trieb ein wohlbekanntes blaues Boot. Eine Laterne hing auf halb acht. Und es schien verlassen zu sein.
Kapitel 13
»Ist das …?«, fragte Sara erschrocken.
Karl antwortete nicht. Der Kloß in seinem Hals war jetzt so groß, dass vorbeiquetschen konnte. Stattdessen streckte sich Karl
über die Reling und bekam die Barbarella zu fassen. Er zog sie näher heran und rollte hinüber auf das kleine Vordeck. Dann
warf er Sara ein Seil zu, damit sie die beiden Boote miteinander vertäuen konnte. Großvaters Boot war beunruhigend still und
leer.
Aber alles, was er im Nebel noch erkennen konnte, schien Karl so … vertraut. So normal inmitten all der Dinge, die bisher an diesem Abend geschehen waren. Mit diesem Boot war er mindestens
tausendmal draußen gewesen. Da lag der Schöpfer auf dem Schiffsboden, dort der Bootshaken. Er wusste genau, wie die beiden
Dinge sich anfühlten, wenn man sie in die Hand nahm.Hier war der Benzinkanister, der immer so schwer auf die Brücke zu wuchten war, und neben dem Kanister ragte etwas Weißes
hervor. Es sah aus wie die Spitze eines Schuhs. Wie die weiße Sohle eines blauen Bootsschuhs.
Karl ließ seinen Blick vom Schuh aus weiterwandern. Und da sah er das Bein.
Halb verborgen unter dem Vordeck lag sein Großvater. Mit vereinten Kräften gelang es Karl und Sara, ihn so weit herauszuziehen,
dass sie seinen Kopf sehen konnten. Über dem rechten Auge klaffte eine große, blutende Wunde. Er musste in voller Fahrt einen
der Felsen gerammt haben und der Aufprall hatte vermutlich dazu geführt, dass er kopfüber unter das Vordeck gestürzt war.
Großvater hatte die Augen geschlossen. Er sah aus, als würde er schlafen, aber sein Mund bewegte sich. Karl beugte sich tiefer
zu ihm hinunter, um ihn besser verstehen zu können.
»Muss … sie finden«, murmelte Großvater. »Muss … darf nicht …«
»Ganz ruhig«, sagte Karl und streichelte seinem Großvater die kratzige bärtige Wange. »Wir kriegen das hin, wir finden Mama.
Eins nach dem anderen.«
»Das muss ein ordentlicher Schlag gewesen sein«, sagte Sara.
Sie kippte den Motor nach oben, um zu kontrollieren, wie das Gehäuse aussah. Es hatte einige Kratzer abbekommen und ein paar
Ecken waren abgesplittert, aber sonst schien alles ganz in Ordnung und funktionstüchtig zu sein.
Da entdeckte Karl, dass Wasser in der Gatt stand und dass durch ein Loch im Heck immer noch mehr ins Boot lief. Eilig stopfte
Sara ein Stück Stoff in den Riss.
Mühsam verfrachteten sie seinen Großvater hinüber auf Schrott-Janssons Boot. Er durfte im Bug
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