Gekauftes Spiel
Timing (zeitlicher Ablauf) passt. Erik ist heute Abend
der Erzieher vom Dienst. Da finde ich eine Gelegenheit zum Gespräch unter vier
Augen.«
»Achte bitte darauf«, sagte
Klößchen, »dass ich nicht zufällig in der Nähe bin. Ich halte mich da raus.«
»Unbedingt.«
»Du wolltest uns noch ein
Geheimnis offenbaren«, erinnerte Gaby, »ein Geheimnis um Jonathan Fender, das
die Öffentlichkeit nicht erfahren darf.«
Alle sahen Tim erwartungsvoll
an.
»Okay«, nickte er. »Ich bin
zufällig darauf gestoßen. Heute Mittag, als ich bei Fender war. Wegen des
Lehrgangs, den ich ja in die Ferien verlegen möchte, wenn wir alle in Tirol am
Lamia-See sind.«
Das betraf Tims Ausbildung zum
Jugendschiedsrichter. Fender, der internationale Schiri, mochte den
TKKG-Häuptling und hatte sich erboten, ihn unter seine Fittiche zu nehmen. Denn
geplant war, dass Tim das Spiel der Mädchenmannschaft im großen Fußballstadion
der Millionenstadt, dem Grüner-Rasen-Stadion, leiten sollte. Das war Erik Salks
Idee und Tim stürzte sich mit Übereifer auf die neue Aufgabe. Das Spiel sollte
im Rahmenprogramm stattfinden — als fröhlicher Auftakt der Champions League.
Die Mädchenmannschaft versus (gegen) eine Auswahl ehemaliger
Sportlehrer, eventuell verstärkt — oder geschwächt — durch kickende Stadträte.
Von Tim wurde erwartet, dass er das Spielgeschehen souverän leitete. Dazu
musste er die Regeln nicht nur genau kennen, sondern auch in der Lage sein, sie
in der Praxis fehlerlos zu kontrollieren. Das wollte Fender, Tatjanas Vater,
ihm beibringen. Über Fender hatten TKKG auch Mario Clausen kennen gelernt und
sich fast ein wenig angefreundet mit dem blutjungen Fußballstar.
»Zunächst«, erklärte Tim, »war
ich noch nicht bei Fender, sondern auf dem Wege zu ihm, nämlich in der
Eingangsdiele des Hauses. Die Haustür stand offen. Also bin ich eingetreten.
Gerade wollte ich mich bemerkbar machen, als ich Fenders Stimme hörte. Er
schimpfte mit seiner Tochter, mit der anderen, mit Evelyn. Na ja, da habe ich
die Klappe gehalten, habe mir alles angehört, bin dann raus und habe
geklingelt, als wäre ich gerade erst gekommen.«
Missbilligend schüttelte Gaby
den Kopf. »So hinterhältig vergiltst du also, was er dir Gutes tut.«
»Sonst hätte ich ja nichts
erfahren«, verteidigte sich Tim. »Und hinterhältig wär’s nur, wenn wir von der
Info Gebrauch machen.« Er grinste. »Ist ja auch nichts Schlimmes. Nur eine
Parallele (vergleichbare Sache) zu Tatjana und Erik, diesmal aber
legal.«
»Also hat Evelyn eine
Beziehung«, folgerte Gaby. »Aber wenn die Kiste legal ist, also okay, wieso
wird sie dann zum Geheimnis?«
»Weil ein schlechtes Licht auf
Fender fallen könnte. Dass er parteiisch handelt in entsprechender Situation,
nämlich dem Lover seiner Tochter ein Foul durchgehen lässt. Vielleicht ist das
schon passiert — ich kann’s nicht beurteilen. Zutrauen würde ich’s ihm nicht,
denn er ist trotz seiner Grobschlächtigkeit eine ehrliche Haut. Aber
Bevorteilung ist ja genau das, was seine unbekannten Feinde ihm vorwerfen und
weshalb sie ihn fertig machen wollen. Er wird Tag und Nacht bedroht. Die
Polizei kann ihn nicht schützen. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, wann sein
Auto in die Luft fliegt oder ihm diese Fanatiker die Hütte abfackeln.«
»Moment mal!«, sagte Karl. »Die
unbekannten Hooligans schäumen doch Gift und Galle wegen des
Champions-League-Finalspiels FC Smogmoor gegen den AC Avanti, das Fender
gepfiffen hat und das Avanti gewann durch Fenders angeblich fragwürdige
Entscheidungen. Abseitsfalle, Elfmeter, eine rote Karte zu viel — und was da so
war. Ich schaue zwar ganz gern Fußball, aber ein Experte bin ich noch nicht,
doch jetzt, wo sogar Gaby unter die Fußballerinnen gegangen ist, wird sich das
ändern. Jedenfalls, Tim, kann man deiner Rede entnehmen, dass Evelyns Lover zum
AC Avanti gehört.«
Tim grinste und nickte. Gaby
pfiff wie ein Gassenjunge. Klößchen blies die Backen auf.
»Wer?«, fragte Karl. »Oder
sollen wir elfmal raten? Wenn wir die Ersatzspieler dazunehmen, wird’s noch
mehr — obwohl ich die gar nicht kenne.«
»Evelyn ist sehr hübsch«, sagte
Gaby. »Der Lover muss zu ihr passen. Also kommt nur einer infrage: Frederico
Azzuri.«
Die Jungs lachten. Azzuri war
ein fleischiger Abwehrspieler, der an fürchterlicher Akne (Hautkrankheit) litt. Nicht nur das Gesicht, auch sein kahl rasierter Schädel war davon
befallen. Seine Mannschaftskameraden nannten ihn
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