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Geködert

Geködert

Titel: Geködert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Len Deighton
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ich sie erst jetzt. »Cindy!« sagte ich. »Du lieber Himmel, Cindy!«
»Du hast ganz vergessen, dass es mich gibt.«
»Natürlich nicht.« Ich hatte nur vergessen, dass Cindy Prettymans vollständiger Vorname Lucinda war, und nicht daran gedacht, dass sie nach der Scheidung wieder ihren Mädchennamen angenommen haben könnte. »Kann ich dir was zu trinken holen?«
Sie hob ihr Glas. »Mineralwasser. Ich trinke zur Zeit nicht.«
»Ich habe dich einfach nicht hier erwartet«, sagte ich. Ich warf einen Blick durch den Vorhang auf die Billardspieler.
»Warum nicht?«
»Ja, warum nicht?« Ich lachte kurz auf. »Wenn ich daran denke, wie viele Male Jim mich hat schwören lassen, dass ich das Spiel für immer aufgebe!« Damals, als Jim Prettyman und ich zusammenarbeiteten, hatte er mir das Billardspielen beigebracht. Er selbst war ein Meister, und auch Cindy konnte sich mit ihrem Spiel sehen lassen.
Cindy war ein oder zwei Jahre älter als Jim. Ihr Vater war Stahlarbeiter in Scunthorpe – ein Sozialist der alten Schule. Sie hatte ein Stipendium für die Universität von Reading bekommen. Sie sagte, dass sie sich schon während ihrer Schulzeit die Beamtenlaufbahn als Traumziel vorgestellt habe. Ich weiß nicht, inwieweit das der Wahrheit entsprach, aber das Auswahlgremium hört so was gerne. Sie wollte zum Schatzamt, kriegte aber das Außenministerium und schließlich auch Jim Prettyman, der ebenfalls dorthin geschickt wurde. Anschließend kam Jim zum Department, und ich sah ihn oft. Freitags nach der Arbeit gingen wir meistens hierher, ich, Fiona, Jim und Cindy. Der Verlierer musste die anderen zum Essen bei Enzo einladen, einem kleinen Italiener an der Old Kent Road, unser Stammlokal damals. Jedesmal traf es mich. Es war schon ein ständiger Witz zwischen uns: Ich hatte meine eigene Art, Jim für die Lehrstunden zu bezahlen. Außerdem war ich der Älteste und verdiente damals am meisten. Dann zogen die Prettymans hinaus nach Edgeware. Jim bekam eine Gehaltserhöhung und kaufte sich einen eigenen großen Billardtisch, und danach gingen wir nicht mehr zu Big Henty’s. Und Jim lud uns manchmal sonntags zum Mittagessen und zu einem Spiel ein. Aber das war nicht mehr dasselbe.
»Spielst du noch?« fragte sie.
»Schon seit Jahren nicht mehr. Und du?«
»Nicht, seitdem Jim weg ist.«
»Es tut mir wirklich leid, Cindy.«
»Jim und ich. Ja, darüber wollte ich mit dir reden. Du hast ihn am Freitag gesehen.«
»Ja, woher weißt du das?«
»Charlene. Ich habe mich in letzter Zeit oft mit ihr unterhalten.«
»Charlene?«
»Charlene Birkett. Das große Mädchen, der wir die Wohnung im Obergeschoss vermietet haben … in Edgeware. Sie ist jetzt Jims Sekretärin.«
»Ich habe sie gesehen, aber ich habe sie nicht wiedererkannt. Ich hielt sie für eine Amerikanerin.« Deshalb hatte sie mir also zugelächelt. Und ich dachte, der Grund wäre meine unwiderstehliche Ausstrahlung gewesen.
»Ja«, sagte Cindy. »Sie ging nach New York und fand keine Arbeit, bis Jim ihr diesen Job besorgte. Zwischen den beiden ist nie was gewesen«, fügte sie eilig hinzu. »Charlene ist ein nettes Mädchen. Wie ich höre, hat sie sich ganz schön herausgemacht, seitdem sie in New York ist und Kontaktlinsen trägt.«
»Jetzt erinnere ich mich«, sagte ich. Ich erinnerte mich wirklich. Ein mausgraues Mädchen mit hängenden Schultern, Wuschelhaar und Brille, das in keiner Weise der wohlgeformten Amazone ähnelte, die mir in Jims Büro Kaffee gebracht hatte. »Sie hat sich tatsächlich sehr verändert.«
»Die Leute verändern sich, wenn sie in Amerika leben.«
»Aber du wolltest nicht hin?«
»Amerika? Mein Vater hätte das nicht überlebt.« Man hörte ihr jetzt an, dass sie aus dem Norden kam. »Ich wollte mich nicht verändern.« Dann sagte sie plötzlich: »Klingt das nicht schrecklich? Ganz so habe ich es eigentlich nicht gemeint.«
»Die Leute gehen nach Amerika, und da werden sie reicher«, sagte ich. »Das ist die wahre Veränderung, die da stattfindet.«
»Jim hat sich in Mexiko scheiden lassen«, sagte sie. »Irgend jemand hat mir erzählt, dass diese Scheidungen nicht wirklich gültig sind. Eine Freundin von mir. Sie arbeitet bei der amerikanischen Botschaft. Weder mexikanische Eheschließungen noch mexikanische Scheidungen werden hier anerkannt«, sagte sie. »Stimmt das, Bernard?«
»Ich glaube nicht, dass der mexikanische Botschafter hier in wilder Ehe lebt, wenn es das ist, was du meinst.«
»Aber welchen Stand habe ich jetzt, Bernard? Er hat

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