Gelegenheit macht Diebe - Nicht alles, was schwul ist, glänzt (German Edition)
sie.
„Er ist kriminell und er ist gefährlich!“, wies sie mich zu meinem Unmut wieder einmal darauf hin. Dass sie ausrasten würde, hatte ich zum Glück vorher schon gewusst, deswegen war ich seelisch bereits einigermaßen drauf vorbereitet, aber unangenehm war es trotzdem. „Was soll das denn nur? Ich versteh’s nicht, Jan, erklär es mir bitte!“ Sie griff mich bei den Oberarmen, zog mich hoch und schaute mir ernst in die Augen.
„Ich konnte nicht anders“, sagte ich traurig und we ndete den Blick ab. Mehr konnte ich dazu einfach nicht sagen, das war die absolute Wahrheit, ich hatte einfach nicht anders gekonnt. Mein Gewissen hätte einfach nichts anderes zugelassen.
Andreas böse Augenbrauen rutschten wi eder in eine nettere Position. „Ich weiß ... leider“, seufzte sie.
Mir war gar nicht wohl zumute, mich pla gte ein ganz grausamer Gedanke. „Schmeißt du mich jetzt raus?“
Die immer noch sehr verärgerte Andrea atmete tief durch. „Ach, ich schmeiß dich doch nicht raus, doch nicht wegen so was ... aber das war echt ’ne harte Nummer, Jan! Echt, jedes Mal wenn ich denke, krasser geht’s echt nicht, kommt so was! Ich verstehe ja noch nicht mal, was du bei ihm im Knast wolltest. Hatte der dich die ganzen Male davor nicht schon genug fertiggemacht? Musstest du dich unbedingt noch mehr erniedrigen lassen?“
„Ich musste ihn einfach sehen, ok?!“
„Nein, das ist nicht ok! Wenn jemand meinem kleinen Jan schadet, dann ist das alles andere als ok!“
„Aber ich liebe ihn!“
Absolutes Schweigen ... zu hören war nur mein Geschluchze. Der ganze angestaute Kummer brach mit einem Mal aus mir heraus. Literweise Tränen versuchten gleichzeitig aus meinen Augen zu laufen. Andrea war von dieser Aussage wie erschlagen. Auch wenn sie es ja eigentlich schon gewusst hatte, oder vielmehr geahnt hatte, brachte sie das jetzt völlig aus der Fassung. Sie war für einen Moment lang nicht mehr in der Lage, irgendetwas zu sagen. Was auch immer sie gesagt hätte, nun hatte sie die Antwort bereits: „Weil ich ihn liebe.“
Eines verstand sie aber immer noch nicht: „Wie bist du eigen tlich zu ihm gekommen? Also als du ihn im Knast besucht hast. Durftest du da überhaupt rein?“
„Ja, mit Erlaub... Also, ich hab behauptet, er wäre mein Stie fbruder“, antwortete ich kleinlaut.
Die Verzweiflung kehrte auf Andreas G esicht zurück. Sie hatte alle Mühe sich zusammenzureißen, doch die Empörung spürte man förmlich durch den Fußboden. Sie machte eine kurze Geste, mit der sie mir sagte, ich solle sie mal eben entschuldigen, und verschwand in ihr Zimmer.
Es war wieder still. Mental bereitete ich mich auf den großen Knall vor, der auch nicht lange auf sich wa rten ließ. Mit einem unglaublichen Lungenvolumen schrie Andrea ihre ganze Verzweiflung in ihr Kopfkissen. Als die Luft raus war, kam sie zurück zu mir und machte einen erledigten Eindruck. Sie setzte sich an den Esstisch und dachte nach.
„Bist du mir furchtbar böse, dass ich das getan hab?“, unterbrach ich das Schweigen und setzte mich ebe nfalls an den Tisch.
„Nein ... Wenn man mit dir zusammenlebt, muss man mit so was rechnen“, seufzte sie und zwinkerte mir zu.
Verlegen scharrte ich mit den Füßen auf dem Boden und b emerkte dabei, dass der Boden an der Stelle von dem Rumrutschen der Stühle schon reichlich abgenutzt war.
„Es ist meine Schuld“, sagte Andrea auf einmal. Irr itiert schaute ich zu ihr und wieder auf den Boden und wieder zu ihr.
„Nee, hier sitze ich doch meistens.“
Sie schaute mich fragend an. „Was?“ Ich deutete auf die Schleifspuren und sie lachte. „Ach quatsch, nein, das meine ich nicht. Es ist meine Schuld, dass das mit dir und Marco so weit gekommen ist. Ich hätte mehr auf dich aufpassen sollen.“
„Das ist doch nicht deine Schuld, da kann niemand was für“, stellte ich klar. Doch Andrea war felsenfest davon übe rzeugt, dass Marco nicht dazu gekommen wäre mich zu würgen, wenn sie nicht auf dieser „blöden Fortbildung“ gewesen wäre.
Den Gedanken, es wäre nur eine Frage der Zeit, bis sich die Tage wieder normal anfühlen würden, hatte ich irgendwann aufgegeben. Es schien fast so, als wäre der Tag, an dem ich zum Gericht gemusst hatte, nur die Spitze des Eisbergs gewesen ... oder besser, der Tag, der überhaupt erst alles kaputt gemacht hatte und nach dem es nie wieder so werden sollte wie vorher.
Diesen Eindruck gewann ich, weil wirklich überhaupt nichts mehr besser
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