Gelegenheitsverkehr
Reißverschluss. Ein Gummiband bändigte ihr Haar zu einem Pferdeschwanz. Lieblicher Parfumduft, kein Make-up. Auf den ersten Blick wirkte ihr Outfit zwar burschikos und einfach, es brachte ihre Reize aber wie mit einem Bühnenscheinwerfer zur Geltung.
»Entschuldigen Sie mein Aussehen«, sagte sie. »Ich habe gerade im Wintergarten sauber gemacht.«
»Sie sehen aus wie kurz vor einem Fotoshooting.«
»Finden Sie? Danke.« Sie lächelte und führte mich durch einen großen Vorraum mit hüfthohen Vasen und langen Schilfstengeln darin. Hinter einem Torbogen sah ich viele Pflanzen und eine Rattanliege. Zeitschriften und Bücher lagen auf dem Steinboden.
Das Wohnzimmer war großzügig und geschmackvoll eingerichtet. Schlichte Möbel aus erlesenen Hölzern, volle Bücherregale, polierte Dielen. Lediglich ein mit Papierstapeln bedeckter großer Sekretär wirkte verschnörkelt und verspielt und sah aus, als könne er Museumskuratorenherzen höher schlagen lassen. Aber erst Elisabeth Mohntalers Präsenz verlieh dem Ganzen eine Vollständigkeit, als wäre bereits beim Kauf alles auf ihren Rotschopf abgestimmt worden.
Ich hielt ihr die E-Card hin, um gleich meinen Besuchsvorwand anzubringen.
»Vielen Dank«, sagte sie. »Das ist wirklich sehr nett von Ihnen. Ich bin etwas schusselig in letzter Zeit.« Sie wand mir die Karte so bedachtsam aus der Hand wie ein Hochseeangler den Haken aus einem zur Strecke gebrachten Barrakuda. Dann legte sie sie auf den Sekretär. »Bitte setzen Sie sich.« Sie wies mir einen Platz auf einem großen Sofa an.
Ich saß voll ausgeleuchtet dem großen Fenster gegenüber und war ihren prüfenden Blicken preisgegeben. Der Couchtisch war mit juristischen Fachjournalen und Büchern übersät. Zwei halbmondförmige Lesebrillen lagen obendrauf. Kein Stäubchen in Sicht. Keine Anzeichen für weitere Bewohner.
»Kaffee?«, fragte sie.
»Gern. Schwarz, bitte.«
Sie servierte und ließ sich auf der anderen Tischseite nieder. Für sich hatte sie nichts mitgebracht. Sie zog ein Bein unter ihren Schoß. Stoff scheuerte auf dem Sofaleder.
Der Kaffee schmeckte so hervorragend, wie er duftete. »Ausgezeichnet«, sagte ich. »Mein Kompliment.«
Sie lachte und griff sich kontrollierend an den Haargummi. »Danke. Aber ich fürchte, ich bin keine gute Hausfrau. Den Kaffee macht die Maschine, ich drücke nur auf den Knopf und fülle nach. Ich beschäftige eine Putzfrau und einen Gärtner.«
»Sind Sie Juristin?« Ich zeigte auf die herumliegenden Fachjournale und Bücher.
»Ich bin Richterin für Zivilsachen am Landesgericht.« Sie zog auch das zweite Bein unter ihren Schoß und sah zufrieden zum Wintergarten.
Meine Wertschätzung für die Justiz stieg augenblicklich. Früher hatte ich mich nur über zu niedrige Strafen geärgert. »Schönes Haus«, sagte ich.
»Danke. Das hat mir mein Exmann hinterlassen.«
Ex. Schön zu hören. Aber noch ein Toter? Ich stellte die Tasse ab. »Er ist verstorben?«, fragte ich. »Tut mir leid.«
»Leider nur geschieden«, sagte sie.
Das zweitbeste Resultat.
»Ich habe das meiste rausgeworfen, alles ausmalen lassen und neue Möbel gekauft«, sagte sie. »Meine Freundinnen hatten mir sogar zu einem Exorzisten geraten.« Sie zog die Sweaterärmel hoch und streichelte ihre weiße Haut. »Er stellt Verpackungen her. Papiersäckchen, bedrucktes Einwickelpapier fürs Gebäck, so was alles. Sehr lukrativ. Das Geschäft und die Sekretärinnen haben ihn immer mehr interessiert als ich.«
»Kaum zu glauben«, sagte ich aufrichtig und schüttelte den Kopf. »Bei einer so attraktiven Frau.« Was für ein Idiot.
»Vielleicht waren die knuspriger als ich«, sagte sie.
»Völlig unmöglich. Sie haben eine Figur als bewohnten Sie ein Fitnesscenter.«
»Ich finde mich ja etwas zu üppig«, sagte sie, griff nach einer Lesebrille und klappte sie auf und wieder zu.
»Machen Sie sich keine Sorgen. Alles perfekt«, sagte ich und betrachtete sie ein wenig zu lange. »Wenn ich das so sagen darf«, fügte ich rasch hinzu.
»Schmeicheln können Sie, was?«, sagte sie lachend.
»Sie scheinen die Scheidung finanziell gut hinter sich gebracht zu haben«, sagte ich.
Sie grinste maliziös. »Einer der Vorteile meines Berufs.«
Das arme Schwein hatte also keine Chance gehabt.
»Was ist mit Ihnen, wo kommen Sie her?«, fragte sie und umfasste ihre Knie.
Ich erzählte bereitwillig. Bundesheer, Polizeischule, Dienst in Wien, der Offizierskurs. Drei Jahre in Linz und dann wieder nach Wien.
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