Geliebter Boss
wir von dem Geld, das ich bei mir hatte, einiges verbraucht hatten. Als wir im Kasino gewannen, sah ich eine günstige Gelegenheit, der Bank das Geld zurückzusenden. Herr Saussen war damit sofort einverstanden, als ich ihm den ganzen Vorfall erzählt hatte.«
»Wie erzählt? Das Märchen, das Sie mir erzählen, oder wie es sich wirklich abgespielt hatte?«
»Wie es sich abgespielt hatte. Daß ich allein die Unterschrift gefälscht und damit das Geld unterschlagen hatte.«
»Also das Märchen!«
»Es ist kein Märchen, es ist die Wahrheit!«
»Wenn ich Ihnen sage, daß Ihr Komplice zugegeben hat, daß er an dem fraglichen Abend hier in der Bank war und Sie gezwungen hat, ihm das Geld auszuliefern; daß er es war, der die Quittung unterschrieb, daß Sie sich mit aller Kraft wehrten...«
»Das ist nicht wahr!«
»Warum lügen Sie?«
»Es ist nicht wahr! Ich habe alles allein getan!«
»Lieben Sie dieses Subjekt so?«
»Er ist kein Subjekt!« bricht es aus Birke hervor. »Ja, ja, ja, ich liebe ihn! Ich hätte nicht wegfahren dürfen von ihm. Wenn sie ihn verhaftet haben, ist es nur meine Schuld. Ich werde auf ihn warten, bis er aus dem Gefängnis herauskommt. Für ihn werde ich Pferde stehlen und arbeiten und betrügen und Treppen scheuern und lügen, lügen, lügen...«
Jetzt ist es heraus. Jetzt kann sie nicht mehr zurück.
Der Präsident hat sich hinter seinem Tisch erhoben.
Er zieht eine Fotografie aus den Akten und betrachtet sie.
»So schön ist er doch gar nicht?« fragt er ironisch.
»Sie kennen ihn nicht!«
»Und ob ich ihn kenne! Hier!«
Er dreht die Fotografie um. Hält sie ihr hin.
»Sie haben ein Bild von ihm?«
»Ja.«
»Darf ich es sehen?«
Sie reißt es ihm mehr aus der Hand, als daß sie es nimmt. Läuft zum Fenster. Starrt darauf. Die Tränen laufen ihr über die Wangen. Lange steht sie so, mit dem Rücken zum Zimmer.
Als sie sich umwendet, schreit sie auf:
»Peter!«
»Birke!«
»Sie haben dich hergebracht?«
»Sie wollen mich dir gegenüberstellen.«
»Ich habe ihnen nichts erzählt.«
»Ich weiß es.«
Jetzt erst blickt Birke sich im Zimmer um.
»Wo ist der Präsident?«
»Hier!«
Peter deutet auf ein Bündel weißer Bandagen, das auf dem Boden liegt. Es dauert eine Weile, ehe Birke alles versteht.
»Du bist...«
»Zanders, der seine eigene Unterschrift fälschte.«
»Der neue Präsident?«
»Es ist die Bank meines Vaters.«
»Also mein neuer Boß?«
»Wenn du mich anerkennst?«
Da fällt alles von Birke ab, was an Angst in ihr gesteckt hatte, die Angst von der ersten Stunde an, als der Einbrecher an ihren Tisch trat, die Angst, als sie in Salzburg über die Grenze fuhren, die Angst, die sie immer um ihn hatte, bis zur letzten Minute, als sie erfuhr, daß er verhaftet ist. Sie erfaßt ein namenloser Zorn.
»Warum hast du das getan?«
»Weil du mir gefielst. Mehr als jedes andere Mädchen.«
»Warum hast du mir in Wien dann nicht die Wahrheit gesagt?«
»Weil ich dich liebte. Mehr als jedes andere Mädchen.«
»Und was bedeutet es, daß du mich jetzt zu dir heraufbestellt hast?«
»Weil ich dir unten in der Schalterhalle nicht die Frage vorlegen wollte.«
»Welche Frage?«
»Ob du meine Frau werden willst.«
Birke schreit es heraus:
»Niemals...«
»Aber...«
»Laß mich bitte den Satz zu Ende sagen: Niemals werde ich dazu nein sagen, vorausgesetzt...«
»Du stellst Bedingungen?«
»Die unabdingbarsten, die es gibt: daß du immer und ewig mein geliebter Boß bleibst!«
»Auch als Ehemann?«
»Erst recht als Ehemann.«
Ja, da haben wir es nun, was so lange gebraucht hat. Wenn das Sprichwort stimmt, daß, was lange währt, gut wird, dann müßte es eigentlich eine gute Ehe ergeben.
Jetzt aber stehen sie noch immer stumm voreinander, halten sich an den Händen, blicken sich in die Augen. Birke hat ihre Lippen geöffnet und jubelt ganz leise, tief aus dem Herzen:
»Geliebter Boß!«
ENDE
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