Geliebtes Landleben
haben wir uns daran gewöhnt, und jeder gleich noch ein Kind bekommen.«
Ich versuchte zu lachen, aber es wollte mir nicht richtig gelingen. Ich sagte langsam: »Er hat mich angesehen, als würde er mich hassen, und ich dachte, er würde sich freuen.«
Jetzt ergriff Tante Kate das Wort, unmißverständlich und klar: »Sich freuen? Warum sollte er sich freuen? Versuche doch einmal, vernünftig zu sein, Susan.«
8
Der Frühling war wechselhaft und unfreundlich, ein paar schöne Tage, dann ein wilder Südwestwind und Regenstürme. Aber als die Lämmer alle auf der Welt waren, wurden Larry und ich von den meisten Pflichten auf der Farm befreit. Die Männer arbeiteten noch immer sehr schwer, denn abgesehen von der Futterknappheit war es auch noch ein >Zwillingsjahr< gewesen. Zuviele Mutterschafe hatten zwei Lämmer geboren, wollten aber nur eines übernehmen. So waren die Männer ständig im Einsatz, und immer wieder mußten Schäfchen in den extra angefertigten Gattern aufgezogen werden, die unsere vordere Koppel verunstalteten. Dabei halfen wir, aber wir mußten nicht mehr den ganzen Vormittag durch die hinteren Koppeln reiten.
Der September ging mit Stürmen in den Oktober über, und eines Tages, als es besonders kalt und regnerisch war, mußte ich Besorgungen in Tiri machen. Ich trank gerade mit Tantchen Tee, als Tony hereingestürzt kam und fragte, ob man ohne sie auskommen könne. In irgendeiner entlegenen Straße war ein Kind schwer erkrankt. Dr. Barrett wußte nicht, was ihm fehlte, denn sie hatten ihn morgens nur kurz angerufen, aber jetzt wollte er dorthin fahren. Wenn es nötig war, wollte er das Kind zum Krankenhaus in Te Rimu bringen.
»Das kann er nicht allein, und die Mutter kann nicht mitfahren. Sie hat noch drei Kinder, und ihr Mann ist mit Melken beschäftigt und hat große Schwierigkeiten mit einer Kuh, die gerade kalbt. Was für ein Leben, wenn man sein Kind nicht ins Krankenhaus bringen kann, obwohl es schwer krank ist!«
»Natürlich kannst du gehen, aber wie weit entfernt ist denn diese Farm?«
»Es ist die Selkirk-Farm, ungefähr fünfzehn Meilen entfernt, durch das ganze Tal hindurch, und die letzte halbe Meile des Weges ist nicht geschottert. Wir werden wahrscheinlich Ewigkeiten brauchen.«
Ich sagte: »Das klingt ziemlich schlimm, Tony. Soll ich mitkommen und bei dem Kind helfen? Hier werde ich nicht dringend gebraucht. Paul ist für heute mit seiner Arbeit fertig, er kann also im Haus sein, wenn die Kinder zurückkommen. Was fehlt dem Kind? Hat Oliver schon eine Vorstellung?«
»Ich weiß nicht. Wahrscheinlich kann er das erst beurteilen, wenn er es sieht. Es wäre schön, wenn du mitkämst.«
»Vielleicht ein phantasierendes Kind, eine schlechte Straße und ein aufkommender Sturm«, kommentierte Tantchen. »Das klingt wie in alten Zeiten, nicht wahr, Susan? Ja, ich halte es für besser, wenn du Paul anrufst und ihm sagst, er soll dich vor morgen früh nicht zurückerwarten. Wenn du nach Hause kommst, wirst du müde sein, du würdest besser hier schlafen.«
Paul war nicht sehr begeistert. »Ich kenne die Selkirk-Farm. Letzten Herbst habe ich mir seine Kälber angesehen. Es ist eine scheußliche Straße, schon schlecht genug, bevor man zu der halben Meile Lehmweg kommt. Hat Barrett Ketten?«
»Natürlich, außerdem sind wir alle drei gute Fahrer und an schlechte Straßen gewöhnt. Mach dir keine Sorgen, Paul. Bist du sicher, daß du mit dem Abendessen für die Kinder zurechtkommst?«
»Die Kinder? Lieber Himmel, warum sollte ich mir da Sorgen machen?« fragte Paul leichtfertig, wie es die Männer zu tun pflegen, wenn sie von den Pflichten ihrer Frauen sprechen. »Natürlich kommen wir zurecht, wir werden am brennenden Feuer sitzen und an euch denken, wie ihr euch auf dieser schlammigen Straße voranarbeitet. Warum kann der Bursche das Kind nicht selbst bringen?«
»Einmal, weil eine seiner Kühe kalbt und er keine Hilfe hat, und zweitens, weil er ein schreckliches Auto hat, auf das kein Verlaß ist. Außerdem muß man auf jeden Fall zu zweit sein, denn das Kind phantasiert. Oliver weiß nicht genau, was ihm fehlt, bevor er es nicht gesehen hat. Dann wird er beschließen, ob er es ins Krankenhaus bringt. Vielleicht ist es nicht so schlimm, wie sie glauben.«
Sobald Oliver mit seinen beiden letzten Patienten in der Sprechstunde fertig war, machten wir uns auf. Ich lieh mir Ölzeug und die anderen waren genauso angezogen. Wir sahen überhaupt nicht wie ein Ärzteteam
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