Geliebtes Landleben
die Scheibenwischer schafften es kaum. Die Steigung war schwierig und die Haarnadelkurven haarsträubend, wenn wir sie schließlich einsehen konnten. Aber es blieb uns kaum Zeit, nervös zu sein, denn das Kind nahm unsere ganze Aufmerksamkeit in Anspruch. Es war ein kräftiges kleines Mädchen, das von Unrast geplagt wurde. Wir hatten alle Mühe zu verhindern, daß sie sich hin und her warf, und sie murmelte und schrie herzzerreißend.
»Sie ist doch sicher sehr krank?« flüsterte ich Tony zu.
»Es scheint so, aber Oliver wird sie schon gesund machen. Ist er nicht bewundernswert?«
Ich stimmte ihr wieder zu, diesmal aus vollem Herzen. In der Dunkelheit konnte ich mir die leuchtenden Augen, die schönen, leicht geöffneten Lippen, all diese Merkmale eines jungen Mädchens vorstellen, das ein Idol liebt, welches am Ende zwangsläufig seine tönernen Füße zeigen muß. Ich seufzte wie eine abgeklärte Frau und kam zu dem Schluß, daß da überhaupt nichts zu machen war. Die abenteuerliche Straße, das schreckliche Wetter, die einsame Farm, die heldenhafte Rettung, die Geste >keine Rechnung< — , das alles war wie aus einem Fernsehstück, und trotzdem waren diese Dinge Olivers starke Verbündete. Solange er sie behielt, würde ihm Tony zu Füßen liegen.
Sobald wir Tiri erreicht hatten, war das Schwerste überstanden. Wir hielten nur kurz an, um Tantchen zu beruhigen und sie um einen Anruf bei Paul zu bitten; dann fuhren wir schnell und ohne Schwierigkeiten zum Te-Rimu-Krankenhaus. Als wäre die kleine Patientin durch die leichtere Fahrt beruhigt, verfiel sie in tiefen Schlaf, Tony und ich konnten uns ausruhen. Die gute Straße ermöglichte es Oliver, sich ab und zu umzudrehen und ein Wort mit seiner ihm ergebenen Sklavin auf dem Hintersitz zu tauschen. Sklavin oder Sklavinnen? An diesem Abend war ich ganz auf der Seite des Doktors, eine Tatsache, die ich später nie vergessen sollte. So konnte ich vieles leichter verstehen.
Im Krankenhaus wurden wir schon erwartet. Oliver war dort offensichtlich sehr beliebt. Die Schwester, die uns begrüßte, war entsetzt über die späte Stunde, das schlechte Wetter und den Zustand, in dem sich der Wagen des Arztes befand. Ihm schien das gleichgültig zu sein.
»Ein schlammiger Weg, aber man hat uns mit den Ketten geholfen. Mir geht es gut, aber die Mädchen sind wahrscheinlich müde. Sie hatten den schwereren Teil der Arbeit und sie werden froh sein, zu Hause ihr Bett zu sehen.«
Die Schwester sah uns gleichgültig, den Doktor jedoch bewundernd an. Es war nicht nett von mir zu denken, daß er diesen Blick genoß; wer von uns freut sich nicht über Bewunderung und ein bißchen Heldenverehrung?
Sie hoben das Kind in seinem Paket aus Decken aus dem Wagen und trugen es in Begleitung von Dr. Barrett ins Krankenhaus. Die Schwester kam sofort zurück und lud uns in ihr Wohnzimmer ein, wo eine junge Schwester uns Kaffee und Brote brachte. Sie sah Tony sehr interessiert und etwas neidisch an. Offensichtlich hatte es sich bei dem kleinen Personalstab sofort herumgesprochen, daß Oliver sie als »meine Verlobte« vorgestellt hatte, und noch ein oder zwei junge Dinger fanden eine Ausrede, um das glückliche Mädchen sehen zu können, das das Große Los gezogen hatte.
Als wir allein waren, sagte ich zu Tony: »Du bist heute abend hier von größtem Interesse«, und sie lachte.
»Ich wünschte, ich würde Oliver mehr Ehre machen. Sie bewundern ihn alle, findest du nicht? Wahrscheinlich fragen sie sich, was er an einem so schmutzigen nassen Ding wie mir finden kann. Schwesterntrachten sehen immer so vorteilhaft aus.«
»Drillich und Ölzeug auch, wenn du im Glanz eines Helden erstrahlst. Diese kleine Schwester hat bestimmt gedacht: >Wenn ich nur dem Doktor so helfen dürfte!<«
»Sie hat sich wahrscheinlich eher gefragt, wie es mir gelungen ist, einen so wunderbaren Mann zu bekommen. Denn er ist wunderbar, nicht wahr, Susan?«
Wieder stimmte ich zu, diesmal mitfühlend und aufrichtig. Ich dachte: »Wenn er nicht mehr hier ist und in seinem Beruf Karriere gemacht hat, woran kein Zweifel besteht, werden sich alle an heute nacht erinnern und sagen: >Das war ein Doktor, der meilenweit durch Unwetter gefahren ist, um armen Leuten zu helfen, die ihm nichts bezahlen konnten — so ist er<.« Ja gewiß war Oliver wunderbar. Jetzt kam er zurück und trank seinen Kaffee, den Tony ihm liebevoll eingegossen hatte. Er sah fröhlich aus. »Sie wird wieder gesund. Ich habe den Vater von hier aus
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