Geliebtes Landleben
leugnen, daß das sehr albern klang, und er ereiferte sich weiter: »Es zeigt nur, daß sie überhaupt nichts versteht, daß sie von der Arbeit eines Arztes keine Ahnung hat.«
»Ich glaube, da bist du nicht ganz gerecht. Sie hat deine Arbeit hier genau kennengelernt und dir auch geholfen.«
»Aber was ist das schon... Ein praktischer Landarzt! Ich habe versucht, ihr zu erklären, daß es ausgesprochen unrealistisch wäre, hierzubleiben.«
»Ich fürchte, Tony ist kein sehr realistischer Mensch. Davor habe ich dich gewarnt, Oliver. Sie hat völlig romantische Vorstellungen, und dich hat sie mit einbezogen.«
»Aber du mußt sie zur Vernunft bringen... Schließlich seid ihr, du und Paul, ihr Vormund, und auf euch hält sie große Stücke.«
Ich sprach ziemlich resigniert. »Oliver, in manchen Dingen kann niemand Tony zur Vernunft bringen. Natürlich hat sie unrecht, aber ich kann sie nicht ändern. Selbst wenn ich es könnte, wäre es weder zu ihrem noch zu deinem Glück.«
»Das glaube ich nicht. Schließlich liebe ich sie sehr, und ich glaube, daß sie mich liebt. Alles läuft so gut. Es gibt keinen Grund, nicht zu heiraten, sobald ich diese Praxis habe. Wenn Tony mich gern hat, will sie auch mein Bestes.«
»Es kommt alles darauf an, was sie für das Beste hält. Sie glaubt vielleicht, daß ein Leben der Aufopferung im Hinterland das Beste ist, was ein Mann tun kann. Sie ist ein richtiges Kind, und sie wird nicht einsehen, daß ein Arzt weiterlernen und praktizieren muß. Sie hat da völlig falsche Ansichten.«
»Aber du meinst doch auch, daß sie mich liebt?«
Ich zögerte, aber das war die Stunde der Wahrheit, und ich sagte langsam: »Es ist sehr schwer zu sagen, ob sie dich liebt oder denjenigen, zu dem sie dich gemacht hat — den Diener des Hinterlandes. Diese Seite von dir betet sie an, aber ich bezweifle, ob sie den erfolgreichen Stadtarzt genauso lieben würde. Ich fürchte, sie wird immer für die Benachteiligten und für jene, die ihnen fehlen, kämpfen. Das ist albern, aber es ist ihr Glaubensbekenntnis.«
»Aber — mich fallenlassen, weil ich eine gute Zukunft vor mir habe? Versteht Tony nicht, daß es für die Leute in der Stadt genauso Arbeit zu tun gibt wie für diese verdammten Hinterländer? Kann sie nicht einsehen, daß die Städter auch Ärzte brauchen, und diese sich genauso hingeben können? Sich nicht nur den Menschen, sondern auch dem Lernen hingeben, und so den Menschen mehr helfen? Kann sie das nicht begreifen?«
»Ich glaube, sie weiß es schon, aber es gefällt ihr einfach nicht. Sie versteift sich auf den im Augenblick schrecklichen Mangel an Landärzten. Du mußt versuchen, sie zu überzeugen, daß du in der Stadt genauso gute Arbeit leisten kannst wie hier — und hier hast du gute Arbeit geleistet, Oliver«, schloß ich liebevoll, denn ich hatte Mitleid mit ihm. Tony war unvernünftig, aber es war seine Schuld, daß er sie nicht vorbereitet hatte.
Als ich das sagte, saß er zunächst in düsterem Schweigen da, dann sagte er: »Ich dachte, wenn sie mich wirklich lieben würde... Aber man kann sie nicht dazu bringen, einer ruhigen Logik zuzuhören. Sie ist so fanatisch.«
»Darin bin ich mit dir einig, aber das hast du doch gewußt, oder? Du hättest gewarnt sein müssen und ihr die Lage von Anfang an erklären sollen.«
»Vielleicht, aber dann hätte sie mich wohl anders gesehen... Und ich war sicher, daß sie mich entscheiden lassen würde, was am besten ist.«
»Vielleicht wird sie das tun, aber sie wird trotzdem ab und zu unvernünftig sein und sich wie ein Kind benehmen. Ich glaube, ihre unglückliche Kindheit hat sie überzeugt, daß sie immer benachteiligten Menschen helfen muß. Weder ihr Vater noch ihre Mutter sind so. Sie sind vernünftige, praktische Leute.«
»Es war ein Schock für mich, zu erkennen, daß Tony nicht so ist.« Das war eine gute Einleitung für mich, und ich sagte: »Das verstehe ich, und glaubst du denn, daß Tony die richtige Frau für einen Stadtarzt wäre? Kannst du dir vorstellen, daß sie sich anpaßt? Kannst du dir vorstellen, daß sie mit einem solchen Leben wirklich zufrieden sein würde? Wäre es von deinem Standpunkt aus nicht ein Fehler, Oliver?«
»Wahrscheinlich würde es ihr schwerfallen.« Dann fuhr er mit dem leidenschaftlichen Optimismus des Liebenden fort: »Aber ich würde sie glücklich machen, wo immer wir sind.«
Ich nahm alle meine Kräfte zusammen und sagte: »Ich fürchte, das kannst du nicht. Das ist ihre Schuld,
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