Gemeinsam gegen Krebs: Naturheilkunde und Onkologie - Zwei Ärzte für eine menschliche Medizin (German Edition)
(MBSR) sowie autogenes Training. Massage und Aromatherapie wirken wohltuend und lindernd. Bewegung, auch wenn sie nur noch eingeschränkt ausgeübt werden kann, verbessert depressive Stimmungslagen und Fatigue. Musik- und Kunsttherapie stärken die seelische Verfassung. Wenn keine Chemo- oder Strahlentherapie durchgeführt wird, können Johanniskraut und Baldrian gegen leichte Depressionen oder Schlafstörungen ohne Bedenken eingesetzt werden, Ingwer gegen Übelkeit.
Visionen: moderne Medizin und Menschlichkeit
»Die Krebsbehandlung im neuen Jahrtausend«, so wurde die Integrative Onkologie während einer Anhörung im US-amerikanischen Kongress bezeichnet. Es spricht vieles dafür, dass der Strukturwandel, den sie exemplarisch vorwegnimmt, eine neue Ära der Medizin ankündigt, die weit über das Thema Onkologie hinausreichen wird. Was ist das Besondere an der Integrativen Medizin, wie wir sie in diesem Buch am Beispiel der Behandlung von Tumorerkrankungen geschildert haben?
Die Medizin der Zukunft wird – wie die Integrative Onkologie – eine sein, in der unterschiedliche Berufsgruppen gemeinsam und auf Augenhöhe zusammenarbeiten – die traditionelle Hierarchie, in der allein der Arzt Entscheidungen trifft, wird zunehmend in den Hintergrund treten. Sie macht einer Kommunikationskultur Platz, in der unterschiedliche Perspektiven als wichtig erachtet und bei jeder Therapieentscheidung neu diskutiert werden.
Das Zusammenspiel verschiedenster Therapieansätze
Die Vielfalt der Betrachtungsweisen spielt vor allem bei der Behandlung von chronischen Erkrankungen eine Rolle, deren Zahl weiter zunimmt, nicht zuletzt wegen der Alterskurve in unserer Gesellschaft. Immer mehr Menschen werden immer älter – von den weiblichen Säuglingen, die heute geboren werden, wird statistisch gesehen jeder zweite hundert Jahre alt werden. Ein hohes Lebensalter aber bedeutet, dass uns auf diesem langen Weg trotz relativ guter Gesundheit auch eine Reihe von anhaltenden Krankheiten begleiten wird. Diese gut und so nebenwirkungsarm wie möglich behandeln zu können entscheidet über unsere Lebensqualität genauso wie über unsere Lebenszeit. Die Vielzahl der Medikamente, die ältere Menschen heute bereits einnehmen, rettet nicht nur Leben, sie nimmt auch Leben: Über 16.000 Patienten sterben zum Beispiel in den USA jährlich allein an den Nebenwirkungen nichtkortisonhaltiger Rheumamedikamente, insgesamt sterben allein in den USA 100.000 Menschen jährlich an den Nebenwirkungen einer medikamentösen Behandlung. Hier ist ein Umdenken angesagt, wie auch in der Onkologie: 2020 wird die Zahl der Krebspatientinnen um die Hälfte gestiegen sein, die der männlichen Kranken um ein Viertel. Viele dieser Betroffenen werden zu dem Kreis der älteren Patienten, der »medicallynonfit«, gehören, welche die anstrengenden bis aggressiven Methoden der klassischen Tumormedizin, Chemotherapie und Bestrahlung, schlechter tolerieren. Für sie müssen angepasste Strategien der Behandlung gefunden werden.
Therapieempfehlungen zu geben ist die Aufgabe des Arztes – die Entscheidung treffen muss letztlich doch der Patient selbst. Das wird in Zukunft für ihn immer schwieriger werden, weil die Medizin weitreichende Möglichkeiten anbietet, deren Konsequenzen nicht immer leicht zu überblicken sind. Soll er jedes Risiko so weit wie möglich ausschließen, indem er sich allen verfügbaren aggressiven Therapien gegen seinen Krebs unterzieht und dabei aber den gesamten Organismus in Mitleidenschaft zieht? Oder minimiert er den Radius seiner Therapien, lässt sich vielleicht nur operieren, und setzt auf die Kraft der Selbstregulierung, indem er zum Beispiel seinen Lebensstil ändert? Dann muss er auch ein höheres Risiko dafür in Kauf nehmen, dass die Erkrankung erneut auftritt.
Die Tumorforschung geht, wie wir gezeigt haben, selbst immer stärker in die Richtung, den Krebs nicht auf Kosten des gesamten Organismus auszumerzen, sondern einzukreisen, vom restlichen Körper abzukoppeln und so einzudämmen. Ob über die langfristige Gabe von niedrig dosierten Zellgiften, die den Krebs in Schach halten sollen, oder über individualisierte Methoden der Behandlung mithilfe der Aussagen aus der Tumorgenetik – die Zukunft der Krebsmedizin liegt in der intelligenten Verknüpfung verschiedenster therapeutischer Ansätze. Ein Ergebnis kann sein, dass sie bei denjenigen Patienten, die heute noch an ihren Metastasen (oder den Nebenwirkungen der Therapie) sterben
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