Gemeinsam gegen Krebs: Naturheilkunde und Onkologie - Zwei Ärzte für eine menschliche Medizin (German Edition)
versucht, Schäden entgegenzuwirken, bevor sie überhaupt entstehen. Mind-Body-Verfahren wie die Mindfulness-Based Stress Reduction oder verhaltenstherapeutische Maßnahmen wie die Kognitive Umstrukturierung, Yoga oder Qigong sind entweder ohnehin schon Teil einer psychoonkologischen Behandlung oder eignen sich auf ideale Weise dazu, diese zu ergänzen.
Wichtig wäre, die Krankenkassen dafür zu gewinnen, diese langfristige Form der Gesundheitsvorsorge, die vermutlich effizienter ist als einige der umstrittenen technischen Screeningprogramme (z. B. des PSA-Tests für Prostatakrebs), zu unterstützen. Dass die Deutsche Krebshilfe einen eigenen Förderschwerpunkt »Naturheilkunde« etabliert hat, ist ein erster, wichtiger Schritt.
Krebszentren haben bereits psychoonkologische, manche auch naturheilkundliche Sprechstunden als »addon« zu ihrer onkologischen Behandlung. Das ersetzt aber weder den interdisziplinären Austausch zwischen den medizinischen Fachrichtungen (z. B. Onkologie und Naturheilkunde), noch schafft das einen Rahmen, der den Patienten die Chance gibt, ihren individuellen Weg zu mehr Gesundheit zu finden und gemeinsam mit anderen auch mit Rückschlägen fertig zu werden. »Empowerment« – die Befähigung von Menschen sollte nicht nur in der Entwicklungspolitik, sondern auch in der Medizin ein wichtiges Schlagwort werden.
Förderung von Forschung und Ausbildung
Natürlich gibt es noch jede Menge Hindernisse, die überwunden werden müssen. Zum einen muss der Einsatz der Naturheilkunde und anderer traditioneller Heilverfahren wie der chinesischen Medizin zur Behandlung von Krebserkrankungen weiter erforscht und wissenschaftlich abgesichert werden. Das National Center of Complementary and Alternative Medicine (NCCAM) an den National Institutes of Health (NIH) in den USA betont immer wieder die hohen Standards der deutschen Pflanzenheilkunde, die durch Monografien erreicht wurden. Diese ausführlichen Beschreibungen einzelner Wirkstoffe sind jedoch nur ein erster Schritt.
Das Potenzial pflanzlicher Substanzen ist hoch und vielfältig. Wenn es um Krebs geht, bergen gerade konzentrierte Monosubstanzen die Gefahr unerwünschter Wechselwirkungen mit anderen Verfahren der onkologischen Therapie. Diese Mechanismen müssen noch untersucht werden, ebenso wie die Wirkung von antikanzerogenen Stoffen in ihrer natürlichen Matrix – also im Verbund mit vielen anderen Inhaltsstoffen der Pflanze.
Die finanziellen Mittel für diese Forschung werden in den seltensten Fällen von der Pharmaindustrie kommen, für die sich hierzulande keine Rentabilität für privatwirtschaftliche Unternehmen abzeichnet. Also ist der Staat gefordert – Vorbild könnten die USA sein, wo sich eine eigene Abteilung der National Institutes of Health allein um »komplementäre« Therapieverfahren kümmert und sie auch finanziell fördert.
Notwendig sind neue Studiendesigns
In Europa werden Natur- und traditionelle Heilverfahren meist nur unter dem Aspekt der Wirkungsforschung betrachtet. Die Wissenschaft sucht nach »dem einen« Wirkstoff, während es doch häufig gerade das Konzert mehrerer Substanzen ist, das den positiven Effekt bringt. Auch schreibt sie alles als »Plazeboeffekt«, als Scheinwirkung, ab, was sich nicht dem Diktat der streng kontrollierten, anonymisierten Doppelblindversuche unterordnet. Dabei kann doch gerade die persönliche Zuwendung eine ganz entscheidende Rolle beim Therapieerfolg spielen. Hier müssen nicht nur neue Studiendesigns entwickelt werden, wie wir es an der Klinik für Naturheilkunde in Essen oder zum Beispiel Kollegen am Universitätsklinikum Charite in Berlin tun.
Die Rolle der Versorgungsforschung
Gerade wenn es um die Verbesserung von Lebensqualität geht, werden Untersuchungen zur Versorgungsforschung immer wichtiger: Sie überprüfen, ob eine Behandlung Erfolg hatte oder nicht. Mitunter werden sie kritisiert, weil sich im Nachhinein viele Faktoren, die vielleicht bedeutsam waren, nicht ausschließen lassen, aber sie haben den Vorteil, dass sie eine weniger ausgesuchte Patientengruppe als die prospektiven (vorausschauenden) Studien erfassen.
Der Rückblick und die Bewertung dessen, was geholfen hat und was nicht, gibt deshalb viel mehr das wieder, was in der Normalversorgung stattfindet, als die Ergebnisse der stark selektierten Patientengruppen in der klinischen Forschung. In den USA wurden deshalb 2009 eine Milliarde Dollar aus öffentlichen Mitteln für Studien zur nachträglichen
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