Gentec X 02 - Der Untergang von Chicago
Wir hatten mit knapper Not den O'Hare Airport in Chicago erreicht und lagerten im Terminal. Wir waren noch elf von 250 Alphas, die aus dem Hype der Gencoys unter Chicago ausgebrochen waren. Ich, Nita Snipe, Codename Sniper, Junior Agent der CIA (im Jargon werden die Assistant oder Junior Agents Dummies genannt) hatte meine Aufgabe gelöst und herausgefunden, was sich hinter dem weltweit operierenden multinationalen Konzern Gentec verbarg.
Es war grauenvoll. Hiram Oldwater, der Konzerngründer, ein ehemaliger Weltraumastronaut und Colonel der NASA, war zu Gencoy One mutiert. In den Labors des Superkonzerns, der überall auf der Welt seine Niederlassungen hatte und dessen Produkte nirgends mehr wegzudenken waren, von der Rüstungsindustrie über die Nahrungsmittelkette bis hin zu den Spielzeugen für die Kinderzimmer, waren gentechnisch produzierte Superwesen gezüchtet worden.
Monstren, die keine menschlichen Gefühle und keine Gnade kannten. Die auf dem Sprung standen, unsere Welt, die noch ahnungslos war, zu übernehmen.
Fast ahnungslos, denn mir war es gerade gelungen, mit dem Ersten Direktor der CIA Verbindung aufzunehmen. Übers Bild-Handy des Chiefs der Airport Security hatte ich mit ihm gesprochen.
Norris P. Benders Worte klangen mir noch im Ohr: »Chicago muss evakuiert werden. Den Hype von der Windy City riegeln wir schon vorher ab.«
Sinngemäß hatten sie so gelautet. In der Umgangssprache wurde Chicago Windy City genannt, die Metropole am Lake Michigan, mit den inzwischen drei Hochhaustürmen der Marina City als Wahrzeichen. Mit vier Millionen Einwohnern in Chicago selbst und dreizehn Millionen im Großraum bis nach Joliet, Aurora, Elgin, North Chicago und Waukegan. Einer Stadt, die in ihrem Lebensnerv von einer bis zum heutigen Tag im Verborgenen lauernden Macht bedroht war, den Gencoys des Gentec Konzerns, der neuen Weltmacht.
Der Supermacht, die bisher harmlos als Wohltäter der Menschheit aufgetreten war mit innovativen Erfindungen und geheimnisvollen Rohstoffen, die keiner gekannt hatte. Ich wusste nun – oder konnte es mir denken – dass zum Beispiel die Genchips, die Chips und Halbleiter der neuesten zukunftsweisenden Generation mit den Transmitterstoffen aus menschlichen Gehirnen angereichert waren.
Den Neurotransmittern, den Botenstoffen, mit denen das menschliche Gehirn arbeitete. Auch für die Salze im menschlichen Körper, bestimmte Ingredienzien der Lymphe und für ziemlich alles vom Menschen hatten die Gencoys Verwendung. Wie viele Menschen sie schon so aufbereitet hatten, wusste ich nicht – für den Rest hatten sie auch noch Verwendung, so wie die Menschen sich Viehherden als Schlachttiere für die Fleisch- und Ledergewinnung hielten.
Oder Schweine mästeten und in Legebatterien Hühner hielten, die ihnen Eier legten , dachte ich, und mir wurde schwindlig dabei. Mich und andere hatten die Chicagoer Gencoys für Zuchtzwecke halten wollen, physisch und psychisch erstklassiges Menschenmaterial, wie sie es nannten – oder Spezialbugs, in ihrem Sprachgebrauch. Alphas nannten sie diese.
Die weiblichen Alphas – ausnahmslos alle jung – trugen goldfarbene Bodysuits, die männlichen, ebenfalls jung, erdbraune.
Die Villa und das hermetisch abgeriegelte Anwesen des Gentee-Gründers Hiram Oldwater befand sich bei De Kalb, einer Kleinstadt, etwa fünfzig Meilen westlich von Chicago. Ich hoffte, dass der Hype, der unterirdische Stützpunkt der Gencoys unter Chicago der einzige war – oder einer von wenigen.
Doch ich fürchtete, dass bereits ein international verzweigtes Netz der Neuen Rasse bestand, der Gencoys; dass es unter- und oberirdische Verbindungen gab. Und, zudem, dass die Gencoys, die teils menschliche Gestalt hatten, die Transportmittel der Menschen benutzen konnten und würden.
Was genau die Gencoys mit Menschen wie meinem früheren Chef Dr. Jacob Silberman gemacht hatten, ob sie sie komplett austauschten oder gentechnisch veränderten, wusste ich noch nicht. Jedenfalls befürchtete ich das Schlimmste.
Es war kurz vor sechs Uhr morgens, fünf Tage vor dem Thanksgiving Day. Flughafennotärzte und Sanitäter kümmerten sich um unsere Verletzten. 239 Männer und Frauen waren gestorben, als wir aus dem Hype ausbrachen und uns nach oben durchschlugen. Oder – ich konnte ihnen nur, musste ihnen den Tod wünschen. Denn was sie bei den Gencoys erwartete, war weit schlimmer als dieser.
Die Gencoys waren im menschlichen Sinn nicht einmal böse zu nennen, sondern –
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