Gérards Heirat
hinter ihm die spöttische Stimme eines dicken Ladendieners, »wenn Herr von Seigneulles seinem Sohn erlaubte, auf den Ball zu gehen, so hätte er ihm wohl auch ein Paar gelber Handschuhe bezahlen können!«
»Bah,« fuhr ein anderer fort, »die Adligen in der oberen Stadt sind alle gleich: sie trauern um ihre leeren Kleiderschränke und um ihre Hoffnungen.«
Gérard war nicht geduldig; er drehte sich nach demSpötter um, faßte ihn am Rockkragen, schüttelte ihn heftig und rief: »Mein Herr, ich glaube, Sie erlauben sich, mich zu beleidigen!«
In einem Augenblick sah er sich von einem Trupp junger Ladendiener umringt, die ihm gerne übel mitgespielt hätten.
»Hinaus mit ihm! werft ihn hinaus!« schrieen sie, »glauben denn diese Krautjunker, sie könnten hier auf unserem Ball die Herren spielen? ...«
»Nur gemach, meine Herren!« ertönte eine schallende Stimme, »übt man so die Gastfreundschaft bei Ihnen?«
Mit zwei Stößen seiner kräftigen Schultern hatte sich Herr Laheyrard Bahn gebrochen und pflanzte sich kampfbereit neben Gérard auf.
Die Fäuste trotzig in die Seite gestemmt, den Hut in den Nacken zurückgeschoben, betrachtete der junge Mann mit schalkhafter Miene die Gegner des Herrn von Seigneulles. »Das ist wahrhaftig Geschrei genug um ein verdorbenes Kleid!« fuhr er fort. »Herr von Seigneulles wird sich ein Vergnügen daraus machen, Fräulein Regina ein neues zu verehren, das sind seine Sachen. Ist das aber für euch ein Grund, euch zu gebärden wie Dorfköter, die bellen, wenn ein Fremder durch den Flecken geht? Ihr kommt mir sehr wunderlich vor, und ich sage euch nur so viel: der erste, der einen Schritt auf meinen jungen Freund zu macht, wird in erster Linie mit meinen beiden Fäusten Bekanntschaft machen. Dies dem Liebhaber zur Notiz.«
Die Angreifer blickten sich an und berechneten innerlich die Kraft der Arme des jungen Laheyrard und zerstreuten sich brummend bei den ersten Takten der Musik, die zu einem neuen Tanze lud.
Gérard bedankte sich herzlich bei seinem Verteidiger, der ihn achselzuckend in einen einsamen Baumgang führte.
»Sie sind wohl zum erstenmal auf dem ›Weidenball‹?« fragte er und fuhr, nachdem er eine bejahende Antwort erhalten hatte, fort:
»Ja, ja, man sieht es wohl! Sie lassen sich noch zu leicht außer Fassung bringen; doch das gibt sich, sobald Sie erst ein wenig mehr Uebung haben.«
Gérard erwiderte, daß ihm dieser Skandal die Lust zu öffentlichen Bällen für lange verdorben habe, und wollte sich von seinem neuen Freund verabschieden.
»Einen Augenblick!« rief dieser, »ich verlasse Sie nicht. Der Weg ist dunkel und einsam; vielleicht könnten diese Dummköpfe da dies benutzen, um sich an Ihnen zu rächen.«
Sie gingen miteinander hinaus; als sie einige Schritte unter den Platanen gemacht hatten, sagte Gérard:
»Wenn ich mich nicht täusche, sind wir Nachbarn. Ich heiße Gérard von Seigneulles und glaube, die Ehre zu haben, mit dem jungen Herrn Laheyrard zu sprechen.«
»Ja,« antwortete sein Gefährte und strich sich wohlgefällig durch den Bart, »Marius Laheyrard, Student der Pariser Fakultät und Redakteur des ›Nordlichts‹, der Zeitschrift der neuen Schule ... Sie konnten oft genug Gedichte von mir darin lesen.«
»Um Vergebung,« antwortete Gérard höflich, »ich muß leider gestehen, daß ich diese Zeitschrift nicht kenne, ich werde sie mir aber zu verschaffen wissen ...«
»Ich zeichne ›Mario‹,« fuhr Laheyrard fort, »aus Rücksicht für den Alten ...«
»Für welchen Alten?« fragte Gérard, der ihn nicht verstand.
»Für den alten Laheyrard ... meinen Vater,« setzte der Dichter nachlässig hinzu. »Er verabscheut alle Verse und wollte mich vom Schreiben abhalten, unter dem Vorwand, meine anakreontischen Lieder beeinträchtigen seine akademische Würde; aber ich habe ihm den Mund gestopft.«
»Oh!« murmelte der junge Seigneulles ganz verdutzt von der Rücksichtslosigkeit, mit welcher der Dichter die väterliche Autorität behandelte.
Dann wollte er sich liebenswürdig zeigen und fügte hinzu:»Ich selbst liebe die Dichtung sehr; ich bewundere besonders Lamartine.«
»Lamartine! Diese ausgestopfte, alte Nachtigall!« rief Marius unehrerbietig.
»Aber,« warf Gérard ein, »Jocelyn ist doch immerhin ...«
»Jocelyn, der alte Kram!« unterbrach ihn Laheyrard unbarmherzig und begann seinem Gefährten mit viel Feuer eine ganze poetische Theorie zu entwickeln, nach welcher die kunstvolle Verbindung seltsam klingender,
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