Geraubte Seele
hätte er weitaus Schlimmeres verdient, als einige blaue Flecken.“ Alex stellte sich schützend an meine Seite, ohne zu wissen, was genau mir angetan wurde.
Wir hatten gestern nicht miteinander geschlafen. Ich konnte es nicht tun, obwohl Alex sehr darum bemüht war. Daraufhin fragte er mich aus, aber ich blockte jedes Mal ab, wenn es um meine Vergangenheit oder die Treffen mit den Männern ging. Zum Schluss genossen wir einfach nur unsere Nähe.
„Dalibor Phalke ist tot.“ Mein Herz blieb für einen Moment lang stehen und das nicht unbedingt deshalb, weil Alex mich ansah, als würde er überlegen, ob ich fähig wäre, einen Menschen umzubringen.
„Kennen Sie dieses Messer?“ Man zeigte mir ein Foto mit einem blutverschmierten Dolch.
„Ja. Das habe ich ihm an dem Tag geschenkt.“ Die Männer sahen mich fragend an. Alle, sogar Alex. „Ein Abschiedsgeschenk. Er hatte ein Faible für Waffen dieser Art.“ Über seine anderen Vorlieben wollte ich an dieser Stelle nicht sprechen.
„Wir haben Ihre Fingerabdrücke auf der Verpackung gefunden, jedoch nicht auf dem Messer.“ Spätestens jetzt war mir klar, warum die Männer so unfreundlich zu mir waren.
Kurz vor meinem achtzehnten Geburtstag griff man mich eines Nachts bei einer Razzia in einem der Zimmer des Bordells auf, an das mich Dalibor dann später verkaufte. Damals fürchtete ich mich so sehr vor dem Zuhälter, dass ich den Mund nicht aufbekam. Nach meiner Vernehmung rief man meine Mutter an, damit sie mich abholte. Sie wollte jedoch mit einer Schlampe wie mir nichts mehr zu tun haben. Daraufhin ließ man mich gehen.
Noch vor der Polizeistation fingen mich Freunde des Bordellbesitzers ab und ich kam erst Stunden später in einem fensterlosen Zimmer wieder zu mir.
Seit diesem Tag befanden sich meine Fingerabdrücke in der Polizeidatenbank.
Mir fiel Alex bleiches Gesicht auf.
Denkt er etwa, ich hätte den Griff abgewischt, um Spuren zu beseitigen?
„Ich hab den Dolch mit den Augen ausgesucht, nicht mit den Fingern. Sie haben bestimmt die Fingerabdrücke des Verkäufers darauf gefunden. Wenn Sie diese vergleichen wollen, kann ich Ihnen die Quittung mit der Adresse des Ladens zeigen.“ Der Polizist steckte das Foto wieder ein, dafür reichte er mir einen Brief entgegen. Ich nahm ihn in die Hände und Alex las mit.
„…Es erschreckt mich und trifft mich sehr, dass du lieber freiwillig den Tod wählst, als bei mir zu bleiben. Für mich hat hingegen ein weiteres Leben ohne dich keinen Sinn …“ Alex riss mir den Brief aus der Hand, lief auf die Kriminalbeamten zu und zeigte mit dem Finger auf diese handgeschriebenen Zeilen.
„Das klingt doch nach Selbstmord!“
„Die Gerichtsmedizin hat den Selbstmord bestätigt“, sagte der Polizist.
„Warum sind Sie dann hier?“ Es war gut, dass ich ihnen nicht alleine ausgeliefert war. Die Nachricht von seinem Tod berührte mich sehr. Als ich da vor ihm lag und ihn darin ermunterte, mich am Weglaufen zu hindern, war er geschockt. Wie in Trance rutschte er von mir runter und setzte sich auf den Boden. Ich blieb noch einen Moment liegen und hoffte, er würde es sich überlegen. Ich bekam noch eine Chance, mein Ziel zu erreichen. Scheinbar wusste er auch diesmal, wie weit er gehen konnte. Er war schon immer geschickt darin, nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten. Er begriff, dass er mir nicht drohen konnte. Es gab nichts, wovor ich mich fürchten würde. Nicht einmal, wenn er mir mein Leben nehmen wollte. So ließ er mich gehen.
„Was wollen Sie?“, fragte Alex nochmals nach.
„Frau Phalke hat gegen Sie eine Anzeige erstattet, wegen Beihilfe zum Selbstmord.“ Alex sah mich an.
„Kann sie denn so was tun?“ Ich wischte mir mit dem Handrücken über meine Stirn und seufzte laut.
„Das kann sie.“ Aber auch ich konnte Einiges. Zum Beispiel gut zuhören, wenn ich mich als Katze verkleidet einem Staatsanwalt ans Bein schmiegte. „Die Frage ist nur, ob sie damit Erfolg haben wird.“ Ich versuchte, eine Antwort darauf in den Gesichtern der Polizisten zu lesen. Bislang waren sie mir nicht gut gesonnen.
Mal sehen, ob ich mit meinen Informationen das alte Miststück ausstechen kann, rüstete ich mich für den Kampf. Er war tot, aber noch konnte ich mich aus seinen Fängen nicht ganz befreien.
„Sie wissen bestimmt, dass Frau Phalke der Öffentlichkeit unter ihrem Künstlernamen Carmen Fox bekannt ist.“ Sie war, im Gegensatz zu mir, eine richtige Schauspielerin.
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