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Gerechte Engel

Gerechte Engel

Titel: Gerechte Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Stanton
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verantwortlich zu sein, bis Bagger Norris dann gestanden hatte und man den Fall abschließen konnte.
    Der Gestank von verbranntem, verkohltem Fleisch, der vom Karren kam, war Übelkeit erregend. Der Wagen geriet ins Schleudern und kippte um, sodass brennende Holzscheite aufs Pflaster fielen. Eine vom Feuer geschwärzte menschliche Gestalt hing halb aus dem Wagen. Da die Flammen das Haar noch nicht verzehrt hatten, wehte es sanft im Wind. Schwarz wie ein Krähenflügel war es, schwarz wie eine sternenlose Nacht. Allerdings duftete es nicht mehr nach Gardenien, sondern roch verbrannt. Haydees Haar. Es war Haydee, die da halb aus dem Karren hing. Statt ihrer veilchenfarbenen Augen saßen leere Höhlen im grinsenden Totenschädel, während die samtige Haut zu flockiger Asche geworden war.
    O’Malley drehte sich um und rannte die Eisentreppe hoch, als sei die Leiche hinter ihm her.

Drum ist mein Alter wie ein frischer Winter,
Kalt, doch erquicklich …
William Shakespeare, Wie es euch gefällt
    »Alexander Bulloch war verrückt vor Kummer und Schmerz«, sagte Justine Coville. »Ich bin damals natürlich noch ein Kind gewesen, erinnere mich aber, dass alle Zeitungen über den Mord berichteten. Ich habe nämlich schon in jungen Jahren aufmerksam registriert, was in der Welt der Erwachsenen so vor sich ging. Und die Schlagzeilen sehe ich noch jetzt so deutlich vor mir wie die Kanzlei, in der ich gerade sitze. Alexander stahl die Leiche aus dem Bestattungsinstitut. Er sagte, ihr Geist sei ihm erschienen und habe verlangt, durch Feuer gereinigt zu werden. Deshalb hat er ihre Leiche angezündet.« Sie schloss mit entrücktem Gesichtsausdruck die Augen, als blicke sie sechzig Jahre zurück. »Und alles, was von ihrem Körper übrig blieb, war ihr langes Haar, das schwarz wie ein Krähenflügel, schwarz wie eine sternenlose Nacht war.« Sie lehnte sich auf dem Besucherstuhl zurück. »Wie finden Sie das, Miss Winston-Beaufort?«
    Es gab nur einen Besucherstuhl. Bree und ihre Sekretärin Emerald Billingsley hatten kein besonders großes Möbelbudget. Brees Schreibtisch, ein kleines Bücherregal sowie der Stuhl für Klienten standen hinter dem Paravent aus Rattan, der das kleine Büro in zwei Teile trennte. Bree hatte die Fensterseite. EBs Schreibtisch befand sich gegenüber der Bürotür, die von altmodischer Art war und deren obere Hälfte aus geriffeltem Glas bestand.
    »Eine schreckliche Geschichte!«, erwiderte Bree. Dabei wusste sie, dass EB, die auf der anderen Seite des Paravents saß, genauso gespannt zuhörte wie sie selbst. Justine Covilles Karriere als Schauspielerin reichte über fünfundfünfzig Jahre zurück. Und die alte Dame verstand es vortrefflich, ihr Publikum zu fesseln. Sie war eine … Bree suchte nach einem taktvollen Ausdruck … eine bemerkenswert aussehende Frau. Sie hatte ein Faible für grellroten Lippenstift und Lidschatten in knalligem Blau. Außerdem war sie offenbar Stammkundin bei einem ziemlich hemmungslosen Schönheitschirurgen. Dass sie nicht gespenstisch wirkte, lag allein daran, dass ihre blassblauen Augen große Intelligenz ausstrahlten. »Was ist denn danach mit Alexander geschehen? Und war Haydees Leiche völlig verbrannt?«
    Justine schüttelte den Kopf. »Es blieb jedenfalls noch genug für ein Begräbnis übrig. Sie liegt drüben in Belle Glade. Auf ihrem Grab steht ein riesiger, geschmackloser Marmorengel. Dass ausgerechnet ein Engel über Haydee Quinn wacht, könnte kaum unpassender sein. Natürlich gab es zahlreiche Leute, die Alexander Bulloch glaubten, dass er von ihrem Geist heimgesucht wurde. Schließlich sind wir hier in Savannah, der gespensterreichsten Stadt des ganzen Landes. Zu Lebzeiten Haydees wurde viel von ihrem hexenhaften Charme gesprochen, sodass viele Leute bereitwillig glaubten, sie sei von den Toten zurückgekehrt, um Alexander zu sagen, was er zu tun habe. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie viele Männer es in ihrem Leben gab, meine Liebe! Seinerzeit war das noch ein richtiger Skandal. Die Leute hielten das für unnatürlich. Deshalb munkelte man damals in Savannah, wenn überhaupt jemand von den Toten zurückkehren könne, dann nur sie .«
    »Was wahrscheinlich dazu führte, dass Alexander nicht allzu hart dafür bestraft wurde, Haydees Leiche gestohlen und eine Art Wikingerbegräbnis arrangiert zu haben«, vermutete Bree.
    »Dem wäre ohnehin nicht viel passiert«, erwiderte Justine. »Alex war schließlich ein Bulloch. Heutzutage zählt die Familie

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