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Germinal

Germinal

Titel: Germinal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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mehr als einer mußte mit zweiundvierzig Jahren schon aus der Grube herauf.«
    »Das ist möglich, Alter, aber damit haben wir noch kein Brot. Was fange ich an? Hast du nichts?«
    »Ich habe zwei Sous.«
    »Behalte sie, um einen Schoppen zu trinken... Mein Gott, was fange ich an? Sechs Tage, eine Ewigkeit!... Wir schulden Maigrat sechzig Franken; er hat mir vorgestern die Tür gewiesen. Das soll mich aber nicht hindern, wieder zu ihm zu gehen. Wenn er sich jedoch weigert, uns zu pumpen...«
    So fuhr die Maheu fort mit bekümmerter Stimme und unbeweglichem Kopfe; vor dem schwachen Lichte der Kerze schloß sie von Zeit zu Zeit die Augen. Der Schrank sei leer, sagte sie, und die Kleinen verlangten Brotschnitten zum Kaffee, der ebenfalls ausgegangen. Das leere Wasser mache nur Bauchzwicken. Dann erzählte sie von den langen Tagen, die man damit zubringe, daß man mit gekochten Kohlblättern den Hunger täusche. Allmählich hatte sie die Stimme erhöhen müssen, weil Estelles Geheul ihre Worte übertönte. Das Geschrei der Kleinen ward unerträglich. Maheu schien es plötzlich zu hören; außer sich vor Wut nahm er das Kind aus der Wiege und schleuderte es auf das Bett der Mutter mit den Worten:
    »Da, nimm sie, denn ich würde sie zertreten... Donner Gottes über den Balg! Das sauft an der Mutterbrust, dem geht nichts ab, und es gröhlt ärger als die anderen!«
    Estelle hatte in der Tat zu saugen begonnen; sie war unter der Decke verschwunden und in der Bettwärme still geworden; man hörte nichts mehr als das gierige Lutschen ihrer Lippen.
    »Haben die Bürgersleute von Piolaine dir nicht gesagt, daß du sie besuchen sollst?« fragte der Mann nach einer Weile.
    Die Frau spitzte die Lippen mit einer Miene mutlosen Zweifels.
    »Ja, sie sind mir begegnet«, antwortete sie. »Sie bringen den armen Kindern Kleider... Ich werde heut' morgen Leonore und Heinrich hinführen. Vielleicht geben sie mir hundert Sous.«
    Wieder trat ein Schweigen ein. Maheu war fertig. Er blieb einen Augenblick unbeweglich, dann schloß er mit seiner dumpfen Stimme:
    »Was willst du? Es ist einmal so: bringe, wie du kannst, die Abendsuppe fertig. Das Schwatzen führt zu nichts; es wird besser sein, wenn ich zur Arbeit gehe.«
    »Gewiß«, sagte die Maheu. »Blase das Licht aus; ich kann mir auch, im Finstern den Kopf zerbrechen.« Er blies die Kerze aus. Zacharias und Johannes stiegen schon hinunter, er folgte ihnen; die hölzerne Treppe krachte unter seinen schweren, mit wollenen Strümpfen bekleideten Füßen. Die Stube und der Flurgang hinter ihnen lagen jetzt wieder in Finsternis. Die Kinder schliefen; Auch Alzire hatte wieder die Augen geschlossen. Nur die Mutter schaute mit offenen Augen in die Finsternis, während an ihrer hängenden Brust eines erschöpften Weibes Estelle brummte wie ein junges Kätzchen.
    In der Wohnstube im Erdgeschoß beschäftigte sich Katharina zunächst mit dem Feuer. Es stand ein Kamin aus Gußeisen da mit einem Rost in der Mitte und einem Backofen auf jeder Seite. In diesem Kamin brannte unaufhörlich ein Kohlenfeuer. Die Gesellschaft verteilte monatlich acht Hektoliter Abfallkohle an jede Familie. Dieser auf den Straßen zusammengelesene Staub entzündete sich nur schwer. Darum deckte das Mädchen jeden Abend das Feuer mit Asche zu; am Morgen brauchte sie nur umzurühren und einige aus dem Schmutz sorgfältig herausgesuchte Kohlenstückchen aufzulegen. Dann setzte sie einen Kochtopf auf den Rost und hockte vor dem Speiseschrank nieder.
    Es war eine ziemlich geräumige Stube, die das ganze Erdgeschoß einnahm; sie war apfelgrün gestrichen und von holländischer Sauberkeit mit den blank gescheuerten und mit feinem weißen Sande bestreuten Fliesen. Außer dem Speiseschrank von gefirnißtem Tannenholze bestand die Einrichtung aus einem Tische und Sesseln von demselben Holze. An den Mauern hingen grell gemalte Bilder, von der Gesellschaft geschenkt, sie stellten den Kaiser und die Kaiserin dar, weiterhin Soldaten und Heilige in goldenen Gewändern, die von der hellen Kahlheit der Mauern abstachen. Anderer Zierat fand sich nicht in der Stube als eine Schachtel von rosafarbenem Kartonpapier auf dem Speiseschrank und die Kuckucksuhr in buntbemaltem Kasten, deren helles Ticktack die Leere der hohen Stube auszufüllen schien. Neben der Tür, die sich auf die Treppe öffnete, war noch eine zweite Tür, die in den Keller führte. Trotz der Reinlichkeit verdarb ein seit dem Abend eingeschlossener Geruch von verbrannten

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