Gesammelte Werke 1
betrachtet
verblüfft dieses paradiesische Leben, das in nichts hinter dem auf der Erde zurücksteht, und wie er so mit einem hochgestellten und hochgeistigen Einheimischen spricht, von ihm alle Einzelheiten über den Aufbau des Imperiums erfährt und versucht, das Unvereinbare zu vereinen, das Unbegreifliche zu begreifen, das nicht Zusammenpassende zusammenzufügen, hört er plötzlich die höfliche Frage: »Was denn, ist bei Ihnen die Welt etwa anders eingerichtet?« Und er beginnt zu reden, zu erklären, die hohe Theorie der Erziehung darzulegen, von den Lehrern zu sprechen, von der sorgsamen, mühevollen Arbeit an jeder einzelnen Kinderseele … Der Einheimische hört zu, lächelt, nickt, und dann bemerkt er wie beiläufig: »Elegant. Eine sehr schöne Theorie. Aber leider in der Praxis absolut nicht zu verwirklichen.« Und während ihn Maxim, dem es die Sprache verschlagen hat, anstarrt, sagt der Einheimische den Satz, um dessentwillen die Strugatzkis bis zuletzt diesen Roman schreiben wollten: »Die Welt kann nicht so eingerichtet sein, wie Sie es mir gerade erzählt haben. Solch eine Welt kann nur erdacht werden. Ich fürchte, mein Freund, ihr lebt in einer Welt, die jemand erdacht hat - ohne euch und vor euch -, ohne dass ihr es ahnt …«
Nach der Idee der Autoren sollte dieser Satz den Schlusspunkt unter die Lebensbeschreibung Maxim Kammerers setzen. Er sollte den ganzen Zyklus von der Welt des Mittags abschließen. Eine Art Fazit einer ganzen Weltanschauung. Ihr Nachruf. Oder ihre Verurteilung?
Wie Boris Strugatzki an anderer Stelle mitgeteilt hat, gab es für diesen Romanentwurf die Arbeitstitel »Operation Virus« und »Der weiße Läufer« (beides in »Die Wellen ersticken den Wind« beiläufig erwähnt), und das (wenige) vorhandene Material dazu hat er vor Jahren einem anderen Petersburger
Schriftsteller übergeben und ihm erlaubt, es für ein eigenes Werk zu benutzen; seither hat man davon nichts mehr gehört.
Hätte Maxim Kammerer nach allem, was er im Inselimperium gesehen und gehört hatte, nicht zur Zeit der »Großen Offenbarung« seine Welt des »Mittags« schon mit etwas anderen Augen sehen müssen? Vielleicht. Aber auch die von ihm entdeckten Übermenschen, die Menten, sind ja für seine Welt nur so lange ein brennendes Problem, wie sie in sie eingreifen - in dem Maße, wie sie sich in von Menschen unerreichbare Sphären zurückziehen, werden sie einfach ein weiteres von zahllosen Phänomenen des Universums, und die Bewohner der Welt des »Mittags« widmen sich wieder dem, wozu die Brüder Strugatzki mehr als viele andere beigetragen haben und woran wir alle mehr oder weniger bewusst, mit mehr oder weniger Erfolg arbeiten: dem Erdenken der eigenen Welt.
Anmerkungen
An dieser Stelle sind Hinweise gesammelt, die für das Verständnis der Romane nicht unbedingt notwendig, aber doch interessant sind. Solche Details fallen in den Werken der Brüder Strugatzki mit unterschiedlicher Häufigkeit an - in späteren mehr als in frühen, in solchen, deren Handlung in der Sowjetunion spielt, mehr als in den auf fernen Planeten angesiedelten. Im vorliegenden Band bedarf daher »Die bewohnte Insel« überhaupt keiner Erläuterungen, und bei den Hinweisen zu »Ein Käfer im Ameisenhaufen« und »Die Wellen ersticken den Wind« handelt es sich fast durchweg um solche auf Werke anderer Autoren, aus denen die Strugatzkis zitieren oder auf die sie anspielen. Ein Teil dieser Anspielungen war schon für den sowjetischen Leser nicht ohne weiteres offensichtlich; andere, wie etwa der ironische Bezug auf ein Maxim-Gorki-Zitat in »Ein Käfer im Ameisenhaufen« oder auf Figuren aus Alexej Tolstois »Das goldene Schlüsselchen« in »Die Wellen ersticken den Wind«, erkannte er ganz selbstverständlich.
Einen Großteil der Hinweise auf Zitate verdanke ich den Recherchen, die Viktor Kurilski unter Mitarbeit mehrerer Strugatzki-Experten durchgeführt und im Internet ( www.rusf.ru/abs/ludeni/kur00 ) veröffentlicht hat. Jene Liste ist mit großer Akribie zusammengestellt und strebt Vollständigkeit an, weshalb sie unter anderem auch erklärt, wer Sherlock Holmes oder Kapitän Nemo waren. Ich verwende hier nur rund die Hälfte der dort zusammengetragenen Hinweise, habe aber
ein paar speziell für den deutschen Leser hinzugefügt und einige Stellen erklärt, an denen die Kenntnis anderer Strugatzki-Romane vorausgesetzt wird.
Eine Bemerkung noch zu einer speziellen russischen Anredeform, die deutsche Leser
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