Gesammelte Werke
als Abschluß ist es aber fast ein Unsinn.
Band I schließt ungefähr mit dem Höhepunkt einer Wölbung; sie hat auf der anderen Seite keine Stütze. Was mich zur Veröffentlichung bewegt, ist das, was ich immer getan habe: es kommt auf die Struktur einer Dichtung heute mehr an als auf ihren Gang. Man muß die Seite wieder verstehen lernen, dann wird man Bücher haben.
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6
[Eine verschobene Vorrede]
[Entwurf]
Eine Zeitschilderung? Ja und nein. Eine Darstellung konstituierender Verhältnisse. Nicht aktuell; sondern eine Schicht tiefer (weiter unten). Nicht Haut, sondern Gelenke. Die Probleme haben nicht die Form, in der sie erscheinen? Nein. Die Probleme sehen unmodern aus. Die Probleme der Gegenwart sind unmodern!
Ich habe in den Kapiteln von Oberfläche und Genauigkeit anzudeuten versucht, wie sich das verhält.
Das Grundlegende ist die geistige Konstitution einer Zeit. Hier der Gegensatz zwischen empirischem Denken und Gefühlsdenken.
Ein Blick auf das Leben lehrt uns, daß es anders ist. Ich bin aus Begabung und Neigung kein «Naturalist».
Es ist hier viel von einem Gefühl die Rede, das im heutigen Leben scheinbar nichts zu suchen hat. Wenn die Besucher einer Rennbahn im Nu von einer Unzufriedenheit mit der Rennleitung zum Plündern der Kassen übergehen und hundert Gendarmen kaum ausreichen, die Ordnung wiederherzustellen, was soll dann ...
Was soll es ferner in einer Zeit, wo neue Staatsformen mit Gewalt ... und ältere mit Gewalt ...
Sie werden hier auch den Witz und Gedanken etwas unbeweglicher finden, als es sein könnte, schlecht informiert, mindestens um ein Vierteljahr zurück. Die Bedeutung liegt weniger in den Exempeln als in der Doktrin. (Exempla docent.)
Die Demokratie des Geistes ist zum Beispiel schon bei Emil Ludwig angelangt, während ich noch Arnheim-Rathenau schildere. Die Schule bei Unterrichtsminister Grimm (das Zeitalter der großen Individualitäten ist vorbei), während ich noch bei Kerschensteiner bin. Der Literaturbetrieb bei der Suche nach Bruckner. Der Sport bei dem strahlenden Bericht Schäfers, daß er in der Prominentenliste der Bordzeitung weit vor der Jeritza gestanden habe. – Alles das ist mir nicht ganz entgangen. Aber ich bin langsam. Und ich bin mit Absicht bei meinen alten Beispielen geblieben — dann käme, daß ich aber auch nicht historisch treu sein will –, weil ich glaube, daß die Untersuchung dieser Beispiele das gleiche Ergebnis haben muß. (Ich bringe mich dadurch um Effekt, gewinne aber an Anatomie oder so ähnlich.)
Trotzdem sind auch diese Beispiele nicht vollständig in ihrem Ertrag. Es treten schließlich Hauptlinien oder nur Lieblingslinien hervor, ein ideelles Gerüst, an dem die Gobelins hängen, wenn ich diese Erzählungen wegen ihrer flachen Darstellungsart so nennen darf.
Denke an die Rede von Grimm. Die Welt ist in dieser Weise bewegt und außerdem ist der Kampf der Machtinteressen immer reiner. Deine Kritik, dein Problem wendet sich aber fast nur an die Demokratie. Wie verteidigst du das? Du vertrittst möglichst rein die Interessen des Geistes und kannst nichts dafür, daß die Demokratie sie zum Teil auch im Programm hat und Phrasen daraus macht. Was du sagst, sind Prolegomena zu jeder Partei, außer natürlich einer nach durchgreifender Veränderung des jahrtausendelang unveränderten Geistes. Du bewegst dich unaufhörlich unter und hinter den Parteien oder wie man früher gesagt hat, über ihnen. Du bemühst dich ja gerade, das Unabhängige zu finden.
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7
Selbstanzeige
[Entwurf]
Der Aufforderung, eine Selbstanzeige zu schreiben, stellen sich bei einem Buch mit ... Seiten, ... Kapiteln, ... Personen, und 33 X soundsoviel Zeilen, von denen keine mit Absicht leer ist, solche Hindernisse entgegen, daß ich es vorziehe, zu sagen, was dieses Buch nicht ist.
Es ist nicht der seit Menschengedenken erwartete große österreichische Roman, obwohl ...
Es ist keine Zeitschilderung, in der sich Herr ... erkennt, wie er leibt und lebt ...
Es ist ebenso wenig eine Gesellschaftsschilderung.
Es enthält nicht die Probleme, an denen wir leiden, sondern ...
Es ist kein Werk eines Dichters, sofern ... Aufgabe hat (zu wiederholen, was ...), sondern sofern ... konstruktive Variation. (Man könnte noch hinzufügen: da dieser im Geist der Gesamtheit liegt, ist dieses Buch idealistisch, analytisch, eventuell synthetisch.)
Es ist keine Satire, sondern eine positive Konstruktion.
Es ist kein Bekenntnis, sondern eine Satire.
Es ist nicht
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