Geschichte des Kapitalismus
eingegangen, die die Diskussion und die Definition von «Kapitalismus» bis heute prägen: Karl Marx, Max Weber und Joseph A. Schumpeter.
Karl Marx
hat das Substantiv «Kapitalismus» selten und nur am Rande benutzt. Aber Marx schrieb so ausführlich und eindringlich über die kapitalistische Produktionsweise, dass sein Kapitalismusverständnis die folgenden Generationen stärker geprägt hat als der Beitrag irgendeiner anderen einzelnen Person. Die Hauptbestandteile des Marxschen Kapitalismusbegriffs lassen sich in vier Punkten zusammenfassen.
1. Marx sah den Arbeitsteilung und Geldwirtschaft voraussetzenden, entwickelten
Markt
als zentralen Bestandteil des Kapitalismus. Er betonte die gnadenlose, Grenzen überschreitende Konkurrenz, die den technischen und organisatorischen Fortschritt vorantrieb, aber zugleich die Marktteilnehmer gegeneinander in Stellung brachte. Er arbeitete den zwanghaften Charakter der «Gesetze» des Marktes heraus, die Kapitalisten und Arbeiter, Produzenten und Konsumenten, Verkäufer und Abnehmer bei Strafe des Untergangs einzuhalten haben, wie immer ihre individuellen Motive auch beschaffen sein mögen.
2. Marx behandelte ausführlich die prinzipiell grenzenlose
Akkumulation
als Merkmal des Kapitalismus, d.h. die Bildung und andauernde Vermehrung des Kapitals gewissermaÃen als Selbstzweck, anfänglich als «ursprüngliche Akkumulation» aufgrund von Transfers aus anderen Bereichen (nicht ohne Enteignung und nicht ohne Gewalt), später dann als Reinvestition von Gewinnen, die aber letztlich aus dem Wert stammten, den die Arbeit schuf: Kapital als geronnene Arbeit.
3. Als Kern der kapitalistischen Produktionsweise begriff Marx das Spannungsverhältnis zwischen den Kapitalisten als Produktionsmittelbesitzern und den von ihnen abhängigen Unternehmern und Managern einerseits, von vertraglich gebundenen,aber sonst freien, für Lohn oder Gehalt beschäftigten Arbeitern ohne Produktionsmittelbesitz andererseits. Die beiden Seiten waren zum einen durch ein Tauschverhältnis (Arbeitskraft oder -leistung gegen Lohn oder Gehalt, die Arbeit bzw. Arbeitskraft als Ware) und zum andern durch ein Herrschafts- und Abhängigkeitsverhältnis miteinander verbunden, das die «Ausbeutung» der Arbeiter durch die Kapitalisten ermöglichte: Ausbeutung in dem Sinn, dass ein Teil des von den Arbeitern erwirtschafteten Wertes, der sog. Mehrwert, ihnen nicht zur Verfügung gestellt bzw. ausgezahlt wurde. Dieser Teil ging in den Besitz des Kapitalisten/Unternehmers über, der damit teils die Akkumulation vorantrieb, teils seinen Konsum bestritt. Das so verstandene
Kapital-Lohnarbeit-Verhältnis
trieb nach Marx nicht nur die Dynamik des Systems an. Es provozierte zugleich auch Klassenkämpfe, die dazu führten, dass sich langfristig
Bourgeoisie und Proletariat
als unversöhnliche Gegner gegenüberstanden. Das war nach Marx die Bedingung der Revolution, die, vom Proletariat getragen, das System des Kapitalismus abschaffen werde, zugunsten einer anderen, nämlich sozialistischen oder kommunistischen Alternative, auf deren nähere Beschreibung sich Marx allerdings nicht einlieÃ. Mit dieser Prognose, die zugleich als Aufruf ans Proletariat zur Wahrnehmung seiner historischen Aufgabe gelesen werden konnte, verwandelte Marx seine theoretische Konzeption in eine praktisch-politische Handlungsanweisung, als die sie seit dem späten 19. Jahrhundert auch von vielen verstanden worden ist.
4. Marx beschrieb die ungeheure
Dynamik des kapitalistischen Systems,
das, getragen von der Bourgeoisie, alles Ãberkommene auflöse, sich weltweit ausbreiten werde und nicht nur den Drang, sondern auch die Fähigkeit besitze, seine Logik in andere als ökonomische Lebensgebiete hinein auszudehnen. Marx war davon überzeugt, dass die kapitalistische Produktionsweise die Tendenz besaÃ, Gesellschaft, Kultur und Politik maÃgeblich zu prägen. Was der Ãkonom Adam Smith noch als «commercial society» und der Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel als «bürgerliche Gesellschaft» beschriebenhatten, stellte Marx als «kapitalistische Gesellschaftsformation» dar.
Mit dieser Umschreibung definierte Marx, der in enger Verbindung mit Friedrich Engels nicht nur die deutschen, sondern auch die schon weiterentwickelten westeuropäischen Verhältnisse beobachtete, die Industrielle Revolution als epochale Umwälzung
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