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01 - Wie Feuer im Blut

01 - Wie Feuer im Blut

Titel: 01 - Wie Feuer im Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Sutcliffe
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Eins
    Middleham, Yorkshire
    Frühling, 1861
    Das Bellen der
Hunde zwang Bonnie Eden, den Kopf zu heben, und obwohl ihr Verstand von den
Schmerzen benebelt zu sein schien, begriff sie doch, dass die Tiere sie bald
aufgespürt hatten, wenn sie nicht weiterlief. Sie erhob sich schwankend auf die
Knie und spürte, wie der kalte Regen auf ihren Rücken trommelte und der Sumpf
an ihren Händen saugte. Dann ertönte wieder der Lärm der Hunde - ein
dumpfes Heulen, das der Nachtwind mit sich trug wie die Klage ruheloser
Geister.
    Nein,
sagte sie sich. Birdie Smythe würde den Hunden nicht erlauben, sie zu töten. Er
wollte das sicherlich selbst besorgen und sie vorher noch bestrafen. Er würde
sie in diesen kalten dunklen Raum sperren und ...
    Sie kam
ächzend auf die Füße. Ihre Angst vor dieser grausamen Strafe war weitaus größer
als die Furcht, von den Hunden zerrissen zu werden. Weiterlaufen - das
war der einzige Ausweg. Sie musste das Caldbergh-Arbeitshaus hinter sich
lassen, wie sie das schon vor fünf Jahren hätte tun sollen. Aber dieser
Schmerz! Ihre Haut brannte wie Feuer. Und bei jedem Atemzug hatte sie das
Gefühl, dass ihre Lungen barsten.
    Ein
Blitz, dem fast im gleichen Moment der Donner folgte, erhellte den Himmel. Als
Bonnie über die Anhöhe stolperte, wurde der Himmel abermals taghell und tauchte
die Ruinen von Middleham Castle in der Ferne in ein bläuliches Licht. Bonnie
blinzelte die Regentropfen aus ihren Wimpern und starrte auf die ehemaligen
Bastionen, die zerfallenen Mauern ohne Dach und den schwarzen Wassergraben,
der das alles umgab. In diesem grauen Gemäuer gab es keine sichere Zuflucht für
sie. Also drehte sie um und taumelte den Hügel hinunter zum Fluss Cover,
während sie im Geist betete, dass die Frühlingsgewitter den Fluss noch nicht zu
einem für sie zu unpassierbaren Strom hatten anschwellen lassen.
    Sie
schlitterte über nasses Farnkraut, fiel flach auf den Rücken, und spürte, dass
Dornenzweige ihr Gesicht und ihren Hals zerkratzten. Wie lange sie dort gelegen
hatte, konnte sie nur raten. Dieser nadelscharfe, trommelnde Regen brachte sie
wieder zur Besinnung, und mit letzter Willensanstrengung zwang sie sich, wieder
aufzustehen und durch das kniehohe, eiskalte Wasser zum anderen Ufer des Cover
zu waten.
    Sie
dachte an jenen Abend, an dem ihr Vater ermordet worden war. Auch damals war
sie gerannt - endlos, wie es schien, in diesen kalten, dunklen Alptraum
hinein, der sie seither jede Nacht quälte. In diesen Alpträumen war sie stets
auf der Flucht. Sie weinte so leise wie möglich, weil sie jeden Moment
befürchten musste, dass sie vom Mörder ihres Vaters entdeckt wurde. Nun war sie
abermals auf der Flucht diesmal wirklich -, und diese stetig
näherrückende Gefahr war nicht nur eine heulende, geifernde Hundemeute, sondern
ein Teufel auf zwei Beinen mit Klumpfüßen. Das Blut ihres Vaters klebte noch an
seinen Händen.
    0 Gott,
ihr Vater ...
    Ein
Feuer raste durch ihre Lungen, als sie den nächsten Hügel erklomm. Ihr
fiebriger Geist wollte sich nicht geschlagen geben. Als sie den Gipfel
erreichte, richtete sie sich mühsam auf und spürte, dass sie unter dem Anprall
des Windes wankte wie ein entwurzelter Baum. Plötzlich überkam sie eine
unendliche Ruhe, als sie das schöne Antlitz ihrer Mutter noch einmal vor ihrem
inneren Auge auftauchen sah. Wie heiter Mary Eden ausgesehen hatte, als sie ihr
Leben ausgehaucht hatte! Sie hatte den Kampf gegen die Schwindsucht aufgegeben
und war friedlich hinüber geglitten über die Klippe des Lebens. Bonnie und ihr
Vater waren im gemeinsamen Schmerz über ihren Tod zurückgeblieben.
    Mit dem
gleichen inneren Frieden, den ihre Mutter in den letzten Sekunden ihres Lebens
erfahren haben musste, betrachtete Bonnie den vom Regen aufgeweichten Boden bis
zum entfernten Rand des Moores. Obwohl die Nacht düster war, vermochte sie das
Sumpfgras von den Viehweiden zu unterscheiden - das Moor war schwärzer
als die Nacht, die Koppeln schimmerten grau, wo Heidekraut den trockengelegten
Boden überwucherte. Dann ein Licht ...
    Ihr
Blick schweifte zurück. Das Licht kam wieder in Sicht. Dann ein zweites und ein
drittes, bis sie einen stetigen gelben Strom in der Dunkelheit bildeten. Bonnie
stolperte erschöpft und benommen weiter. Sie stürzte, stand auf und fiel
abermals hin. Sie hörte die Hunde und biss die Zähne zusammen um sich noch
einmal aufzuraffen. Vor ihren Augen waberte roter Nebel, und diese gelben
Lichter tanzten ...
    Damien Warwick,
Graf

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